Es ist Zvieri-Zeit für die 10-jährige Jane und ihre 8-jährige Schwester Rachel. Die beiden Mädchen haben einen Erdbeerkuchen gebacken, den ihre Mutter Christina Capatina in Stücke schneidet und verteilt.
Mit ihrem Erdbeerkuchen könnten Rachel und Jane auf Instagram und Co punkten. Doch die Mädchen haben keine Smartphones, um Bilder davon zu posten. «Andere Kinder finden es hart. Ich kann gut ohne Smartphone leben», sagt Rachel. «Diesen Erdbeerkuchen muss auch nicht die ganze Welt gesehen haben.»
Der freiwillige Verzicht macht Schule
Rachel und Jane wachsen in Greystones auf, etwa 20 Kilometer südlich der irischen Hauptstadt Dublin. In Greystones haben praktisch alle Kinder in ihrem Alter keine eigenen Smartphones mehr, seit die Vorsteherinnen mehrerer Primarschulen den Eltern vor eineinhalb Jahren vorgeschlagen hatten, ihren Kindern vor dem 12. Geburtstag keine eigenen Smartphones mehr zu kaufen.
Die Kinder sollten in den Pausen und nach der Schule wieder miteinander spielen oder plaudern, statt auf ihre Handys zu starren und durch die sozialen Medien zu scrollen.
Eine klare Mehrheit der Eltern war sofort einverstanden, darunter auch Christina Capatina. «Die Kinder hatten bis zu diesem Zeitpunkt ein starkes Druckmittel. Sie sagten: ‹Mama, alle unsere Freundinnen haben Smartphones. Wir sind die einzigen ohne.›»
Smartphonefreie Kindheit
Schulleiterin Rachel Harper von der St Patrick’s National School hatte die Idee zum Verzicht. Sie überzeugte neben den Eltern ihrer Schule auch jene von sieben weiteren Primarschulen in der Umgebung von ihrem Plan. «Viele hatten anfänglich Angst, als bevormundende Eltern dazustehen. Doch inzwischen haben 96 Prozent der Eltern den Verzichtspakt unterschrieben. Das ist fantastisch.»
Den Schulen gehe es nicht darum, das Rad der Zeit zurückzudrehen, betont Harper: «Wir bereiten die Primarschülerinnen und -schüler gleichzeitig darauf vor, beim Übertritt in die Sekundarschule ein eigenes Smartphone zu bekommen – damit sie dann wissen, wie man sich in den sozialen Medien verhalten sollte.»
Einschränkungen in der Sekundarschule
Den freiwilligen Verzicht findet auch Irlands Bildungsministerin Norma Foley eine «Superidee». Sie will das Modell von Greystones aufs ganze Land ausweiten. «Alles deutet darauf hin, dass Kinder besser lernen und sich sozialer verhalten, wenn sie ihre Smartphones weglegen. Das stärkt ihre Beziehungen und verbessert ihr Lernumfeld in den Schulen.»
Foley versucht die Smartphones auch aus den Sekundarschulen zu verbannen: Die Schülerinnen und Schüler müssen ihre Smartphones beim Eintreffen in der Schule in eigens dafür bereitgestellte Schliessfächer versorgen und dürfen die Smartphones erst vor dem Verlassen der Schulen wieder herausholen. In Pausen und am Mittag bleiben die Smartphones weggeschlossen, so will es die Bildungsministerin.
Es lockt das Smartphone der Eltern
Ganz ohne elektronische Geräte wachsen die Kinder in Irland dann doch nicht auf. Rachel und Jane zum Beispiel dürfen ihr Tablet zwei Stunden am Tag benützen. Oder ausnahmsweise auch ein Smartphone der Eltern.
Ihre Mutter sagt ganz offen: «Der Smartphone-Verzicht ist kein Wundermittel. Es gibt weiterhin Diskussionen über die Bildschirmzeit.» Noch müssen sich Jane und Rachel ein paar Jahre gedulden, bis sie eigene Smartphones bekommen.