Deutschland hat ein Problem: Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umschichtung von Corona-Krediten in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt. Nun zeigt sich, dass das Urteil weitreichendere Konsequenzen als angenommen hat: In der Haushaltskasse klafft ein Loch von 60 Milliarden Euro. Das Finanzministerium hat deshalb Finanzzusagen für die kommenden drei Jahre gesperrt. SRF-Korrespondentin Simone Fatzer erklärt, welche Folgen der Entscheid hat.
Was bedeutet die Haushaltssperre?
Als kurzfristige Folge werden nur die laufenden Leistungen fortgeführt. Denn das Urteil könnte nicht nur den einen Topf des Klimafonds, sondern ganz viele Finanzierungstöpfe betreffen. Bevor das nicht geklärt ist, heisst es erst einmal stopp – und aktuell ist alles im Vagen. Langfristig betrachtet fehlen mindestens 60 Milliarden Euro. Das Geld war für die ökologische Transformation der Wirtschaft und den Klimaschutz vorgesehen.
Ist der Umbau der Wirtschaft gefährdet?
Der Entscheid bedeutet nicht, dass in dieser Beziehung gar nichts laufen kann. Der betreffende Finanzierungstopf ist nicht ganz leer. Die Frage ist nun, woher das Geld kommen soll, um die Programme für die Transformation der Wirtschaft oder zumindest einen Teil davon zu ermöglichen. Abgesehen von den Klimaschutzzielen, die schwer zu erreichen sind, geht es auch um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft – denn sie hat viel aufzuholen.
Die deutsche Wirtschaft hat zu lange auf fossile Brennstoffe gesetzt und weist im internationalen Vergleich einen hohen Industrieanteil auf. Der Wettbewerb ist auch bei den Subventionen enorm gross. Zudem ist die Infrastruktur in Deutschland schlecht: Strasse, Schiene, die Digitalisierung – all das hinkt hinterher. Und Unternehmen, die nicht unterstützt werden oder schlechte Bedingungen vorfinden, kommen nicht mehr ins Land. Andere wandern womöglich aus.
Welche Wege zeichnen aus dieser Krise ab?
Man kann an anderen Orten sparen. Die FDP will das bei den Sozialausgaben tun. Hier winken die Koalitionspartner von Grünen und SPD ab. Die Grünen wollen mit der Subvention von Dienstwagenprivilegien und ähnlichem Schluss machen. Da es um 60 Milliarden Euro geht, wird es aber mit Einsparungen in gewissen Bereichen nicht getan sei.
Eine weitere Möglichkeit sind Steuererhöhungen. Dagegen wehrt sich die FDP vehement. Die Regierungskoalition könnte auch versuchen, einen neuen Schuldentopf zu kreieren, der nicht gegen die Verfassung verstösst.
Besteht die Gefahr, dass die Ampelkoalition nun zerbricht?
Die aktuellen Vorgänge sind eine Zerreissprobe für die Regierungskoalition. Schon über einzelne Vorhaben wurde in der Vergangenheit heftig gestritten. Jetzt liegt praktisch alles auf dem Tisch. Für Neuwahlen müsste sich aber eine Partei abwenden oder der Kanzler die Vertrauensfrage stellen. Von einem Aussteigen aus der Koalition hätte aber keine der Parteien einen ersichtlichen Vorteil: Die Zustimmungswerte für die drei Parteien sind sehr tief und zusammen kommen sie in Umfragen auf lediglich 35 Prozent.
Trotz der Krisen und Streitereien hat die Ampelkoalition aber auch einiges geschafft: etwa die grosse Unterstützung der Ukraine, die Abwendung der Gasmangellage im letzten Winter, den Aufbau von Energiealternativen zu Russland oder Massnahmen zur Linderung des Fachkräftemangels. Es wurden viele Dinge angepackt, die in 16 Jahren unter CDU-Regierungen liegen geblieben waren. Fest steht: Diese Regierung kann Krise.