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Held oder Verräter? Juristen fordern Schweizer Asyl für Julian Assange

  • Eine Gruppe Schweizer Juristen fordert den Bundesrat auf, dem Wikileaks-Gründer Julian Assange Asyl zu gewähren.
  • Indizien deuten darauf hin, dass die USA den Australier wegen Spionage anklagen wollen und dafür seine Auslieferung verlangen.
  • Gemäss den Schweizer Juristen drohen Assange wegen seiner Enthüllungen von Kriegsverbrechen in den USA Folter und Todesstrafe.

Für den Zürcher Rechtsanwalt Marcel Bosonnet verstiesse die Auslieferung Assanges an die USA gegen elementarste Grundrechte. «Die Schweiz hat die Pflicht, ihm Schutz zu gewähren, damit er nicht in den USA folterähnlichen Verhörmethoden unterworfen ist», sagt Bosonnet der «Rundschau». «Assange ist politisch verfolgt. Das kann man nicht abstreiten.»

Seinen Asyl-Appell an den Bundesrat haben mehrere prominente Juristen unterzeichnet. Darunter alt Bundesrichter Giusep Nay und der Strafrechtsprofessor Marcel Niggli.

Julian Assange wurde am 11. April in der Botschaft Ecuadors in London verhaftet. Dies wurde möglich, weil Ecuador zuvor Assanges Asylstatus annulliert hatte. Assange war 2012 in die Botschaft geflüchtet, um einer Festnahme zu entgehen. Damals lag ein europäischer Haftbefehl gegen ihn vor wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden.

Staatsfeind für die USA

Unklar ist, welche Rolle die USA bei der Aufhebung des Asylstatus gespielt haben. Unbestritten ist jedoch, dass Assange für die Enthüllungen seiner Plattform Wikileaks zur Rechenschaft gezogen werden soll. Wikileaks hatte 2010 hunderttausende geheime Dokumente aus dem Irak- und Afghanistan-Krieg veröffentlicht, die ihm vom Soldaten Bradley Manning (heute Chelsea Manning) zugespielt wurden. Die Dokumente enthüllten unter anderem Kriegsverbrechen durch die US-Armee.

Mit der Veröffentlichung von tausenden E-Mails aus dem Wahlkampfteam von Hillary Clinton beeinflusste Assange 2016 zudem direkt die Präsidentschaftswahlen zugunsten von Donald Trump.

Drohende Anklage in den USA

Die USA haben von Grossbritannien die Auslieferung Assanges beantragt: Wegen Verschwörung mit Chelsea Manning zum Eindringen in Computer der Armee. Die Höchststrafe dafür beträgt fünf Jahre.

Holger Stark, Leiter Investigativ bei «Zeit Online», geht jedoch davon aus, dass die USA eine viel weitreichendere Klage gegen Assange vorbringen werden, sobald sie seiner habhaft werden.

«Unsere Recherchen zeigen, dass die US-Staatsanwaltschaft wegen unerlaubten Erhalts und der Verbreitung geheimer Informationen ermittelt», sagt Stark. «Assange könnte unter dem ‹Espionage Act› angeklagt werden. Dann droht ihm eine mehrfach lebenslange Haftstrafe oder gar die Todesstrafe.»

Schlag gegen die Pressefreiheit?

Stark arbeitete – damals für den «Spiegel» - bei der journalistischen Aufarbeitung der Kriegs-Leaks persönlich mit Assange zusammen. Für ihn geht es im Fall Assange nicht nur um Wikileaks: «Sehr vieles spricht dafür, dass die USA ein Exempel statuieren wollen mit der Botschaft: Wer uns so herausfordert was unsere nationale Sicherheit betrifft, der muss mit der härtesten Strafe rechnen – und am Ende kriegen wir alle.»

Auch für Anwalt Bosonnet wäre es ein Schlag gegen die Pressefreiheit, wenn Assange wegen Spionage verurteilt würde. «Jeder Journalist würde sich künftig zweimal überlegen, ob er geheime amerikanische Dokumente veröffentlichen würde, egal wie wichtig der Inhalt für die Öffentlichkeit wäre.»

Die US-Justizbehörden müssen bis Mitte Juni präzisieren, welche Anklage gegen Julian Assange sie nach einer Auslieferung erheben wollen.

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