Der Krieg in der Ukraine dauert seit mehr als 600 Tagen an. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind fast 10'000 Zivilistinnen und Zivilisten dem Krieg zum Opfer gefallen. Noch mehr Menschen haben ihr Zuhause verloren. Zerschossen, zerbombt und niedergebrannt durch den russischen Angriffskrieg.
Die Schäden beliefen sich Anfang September auf fast 152 Milliarden US-Dollar, gemäss der Kyiv School of Economics. Bisher wurden fast 200'000 zerstörte Gebäude dokumentiert. Gebäude und Infrastruktur, die wieder aufgebaut werden müssen.
An der Berner Fachhochschule hat Thomas Rohner einen neuen CAS zum Wiederaufbau der Ukraine ins Leben gerufen – ein Novum. «Ich habe zu meiner Frau gesagt, wir müssen etwas tun», sagt Rohner im Tagesgespräch von Radio SRF.
Bildung ist das Nachhaltigste, was es gibt.
Gemäss Rohner verteidigt die Ukraine nicht nur ihr Land, sondern «auch die Demokratie und den Frieden in Europa». Für ihn gibt es verschiedene Möglichkeiten, Hilfe zu leisten. Als Professor sieht er seine Kernkompetenz in der Wissensvermittlung. «Bildung ist das Nachhaltigste, was es gibt», so Rohner.
Wissen ist nachhaltiger als alles andere
Der von ihm ins Leben gerufene CAS ist eine praxisnahe Weiterbildung. Entwickelt von Rohner selbst, seiner Frau Cornelia Cantieni-Rohner und vier ukrainischen Frauen. Die Mitarbeit der ukrainischen Frauen bei dem Entwickeln des CAS war für Rohner eine Voraussetzung.
«Ich kenne die Baukultur in der Ukraine nicht und mir war es wichtig, einen Lehrgang zu konzipieren, dessen erlernte Kompetenzen auch wirklich vor Ort eingesetzt werden können», so Rohner. Der Studiengang dauert vier Monate, die ersten 30 ukrainischen Flüchtlinge haben ihn absolviert. 30 weitere haben im Oktober den zweiten Lehrgang begonnen.
Mir war es wichtig, einen Lehrgang zu konzipieren, dessen erlernte Kompetenzen auch wirklich vor Ort eingesetzt werden können.
Der CAS «Wiederaufbau Ukraine» richtet sich an geflüchtete Menschen aus der Ukraine, die schön länger in der Schweiz leben, sowie an Mitglieder von Hilfsorganisationen, die sich am Wiederaufbau beteiligen werden. Das Ziel ist es, die Teilnehmenden zu befähigen, Wiederaufbauprojekte in der Ukraine zu evaluieren, mitzugestalten und zu leiten. «Hilfe zur Selbsthilfe», wie Rohner es nennt.
Ganz nach dem Motto: Nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten helfen
Zum ersten Mal wurde der CAS Anfang 2023 durchgeführt. Bisher sind sechs Projekte in Zusammenarbeit mit Absolventen des CAS entstanden. Die Projekte reichen von Kindergärten und temporären Schulbauten über ein Zentrum für kriegsversehrte Menschen; es geht aber auch um Technologietransfer oder ein Projekt für eine Biogasanlage. «Bei einem Wiederaufbauprojekt müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden», erklärt Rohner.
Ist zum Beispiel eine Brücke zerbombt, darf sie nicht einfach so wieder aufgebaut werden. In einem solchen Fall muss die Gesamtsituation beurteilt werden. Gibt es einen Radweg? Gehen auch Kinder über die Brücke? Welches Material wäre das nachhaltigste? Solche Fragen könnten Frauen ganzheitlicher erfassen als Männer, ist der emeritierte Holzbauprofessor überzeugt. Rohner ist stolz auf die gute Zusammenarbeit und auf die Projekte, die nun umgesetzt werden. «Es ist wirklich eine grossartige Sache!»