Maurizio Castellari ist Geologe in Imola, einer Stadt am Rande des italienischen Überschwemmungsgebietes. Er bezeichnet die aktuelle Wetterlage als «höchst aussergewöhnlich» – doch auch der Mensch habe zum Hochwasser beigetragen.
Man habe die Böden seit dem Zweiten Weltkrieg zu stark versiegelt, sagt Castellari von der Vereinigung der Geologen der Emilia Romagna. «Flussläufe wurden begradigt und betoniert, Bäche in Kanäle gezwängt. Ein immer grösserer Teil der Landschaft nahe der Flüsse ist asphaltiert.»
Flussläufe wurden begradigt und betoniert, Bäche in Kanäle gezwängt.
Darum könne das Wasser kaum versickern und bahne sich den Weg mit verheerender Gewalt bergab.
Stark vom Klimawandel betroffen
Klar ist für Expertinnen und Experten – auch für Castellari –, dass der Klimawandel Italien jetzt hart trifft. Da leide das Land monatelang unter Dürre, und dann falle innert kürzester Zeit immer intensiverer Niederschlag, sagen sie.
«Früher führten gewisse Flüsse eine mehr oder weniger konstante Menge an Wasser. Heute kann ein Flussbett während Monaten fast komplett ausgetrocknet sein und dann kommen plötzlich Wassermassen, wie man sie selten oder nie gesehen hat», so der Geologe.
Darauf müsse man reagieren. Als erste Massnahme nennt er den Bau von Rückhaltebecken. Die einbetonierten Flüsse müssen aus ihren starren Betten befreit werden und Raum erhalten, um sich bei Hochwasser ausdehnen zu können. Das müsse schon am Oberlauf in den Bergen passieren, so Castellari.
Laufende Kontrolle und Unterhalt nötig
Ausserdem sei es unerlässlich, dass man wieder damit beginnen müsse, die Flussdämme regelmässig zu kontrollieren, zu verstärken, auszubessern – und zu investieren. Eigentlich weiss man das. «Doch mit solch unspektakulären Investitionen können Politikerinnen und Politiker kaum Wahlen gewinnen», sagt der Geologe.
Die Politik müsse den Mut aufbringen, auf solch langfristige Projekte zu setzen, auch wenn von diesen erst spätere Generationen von Politikerinnen und Wählern profitierten. Denn eines zeige sich sehr deutlich: Der Klimawandel sei schneller als die Reaktion des Menschen.
Die Landschaft der Emilia-Romagna, aber auch anderer Regionen Italiens, sei nicht auf diesen Wandel vorbereitet. Der Geologe verweist auf die extremen Wetterereignisse in den Marken und in Kampanien, wo in den letzten Monaten ebenfalls riesiger Schaden entstand.
Nach dem Hochwasser die nächste Dürre?
Hinzu komme, dass mit dem vielen Regen die Gefahr einer sommerlichen Dürre in Italien keineswegs gebannt sei. «Weit gefehlt», sagt der Geologe: «Das viele Wasser fliesst innert weniger Tage ab.»
Italien hat viel zu wenig Speicherbecken. Zudem ist ein grosser Teil der Wasserleitungen leck, rund 40 Prozent des Trinkwassers versickert. Darum könnte es gut sein, dass das Gebiet, das nun unter Wasser steht, schon im Sommer wieder unter extremer Trockenheit leidet.