Ein Gericht hat den Attentäter von Halle, der 2019 die örtliche Synagoge angegriffen und zwei unbeteiligte Passanten erschossen hat, mit der höchstmöglichen Strafe belegt. Lebenslänglich bedeutet in Deutschland nicht lebenslänglich. Nach 15 Jahren kann überprüft werden, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Weil das Gericht in Magdeburg aber in diesem Fall eine besondere Schwere der Schuld festgestellt hat, ist damit nicht zu rechnen.
Kein härteres Urteil möglich
Dazu kommt eine angeordnete Sicherheitsverwahrung, weil der Täter eine Gefahr für die Allgemeinheit ist. Und das ist er, denn er zeigte während des Prozesses keine Reue, sondern hielt an seinem Ziel fest, möglichst viele Juden/Jüdinnen umzubringen. Eine Überprüfung der Sicherheitsverwahrung wird zwar regelmässig stattfinden, aber aus heutiger Sicht erscheint eine Freilassung unwahrscheinlich.
Ein härteres Urteil als dieses ist in Deutschland nicht möglich: Der 28-jährige Täter wird wahrscheinlich nie mehr in Freiheit kommen. Das ist ein sehr starkes Signal des Gerichts.
Kritik an der Polizei
Auch die Überlebenden sind zufrieden, vor allem mit der Prozessführung. Anders als sonst sei ihre Stimme stärker als je zuvor gehört worden, loben die Nebenkläger. Normalerweise steht der Täter, seine Sichtweise, seine Motive und damit sein Narrativ im Vordergrund, weil es ja um die Aufklärung seiner Tat geht. Das gibt ihm aber auch eine ungewollte Deutungshoheit. Doch in diesem Prozess war die Stimme der Opfer deutlicher zu vernehmen als jemals zuvor.
Und schliesslich: Politik und Behörden haben die Zeichen der Zeit erkannt. Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in Sachen Sicherheit höchste Priorität erhalten. Es gibt Antisemitismus-Beauftragte in allen Bundesländern, und auch die Staatsanwaltschaften legen einen speziellen Fokus auf dieses Thema. Möglicherweise war es aber weniger der antisemitische Anschlag auf die Synagoge in Halle, als der rechtsextreme Mord am CDU-Regierungspräsidenten Lübcke in Kassel, der die Politik geweckt hat.
Das sind die positiven Aspekte. Kritik aber muss die Polizei einstecken, die während des Anschlags und auch danach bei der Aufklärung der Aktivitäten des Täters im Internet (auch bei der Suche nach Gehilfen) unprofessionell agiert hat. Und ob die Signale der Institutionen auch in der Gesellschaft gehört werden, darf man sich fragen.
Hört das Volk die Signale?
Denn Antisemitismus in Deutschland ist in den letzten Jahren signifikant gestiegen, unsagbares wurde salonfähig, jüdisches Leben ist im Alltag kaum sichtbar in Deutschland, sondern mehr ein exotisches Ritual, nur drei Promille der Bevölkerung sind jüdisch. «Der Anschlag hat uns nicht überrascht, er war nur eine Frage der Zeit», war der Tenor aller Juden, mit denen ich gesprochen haben.
Jüdinnen und Juden aber haben ein selbstverständliches Recht auf Sicherheit und Freiheit, wie alle anderen in Deutschland auch. Oder wie würden Sie reagieren, wenn Sie Ihres Lebens in Deutschland oder der Schweiz nicht sicher sein könnten?