Auch in Deutschland steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen. Mehrere Bundesländer vermelden Höchststände in dieser Pandemie – und reagieren mittlerweile. Aber auf Bundesebene ist bisher wenig passiert.
Einzig beschlossen wurde am Wochenende, dass Gratistests wieder eingeführt werden. Das liegt laut Claudia Kade, Ressortleiterin Politik bei der deutschen Zeitung «Die Welt», am aktuellen Machtvakuum in Berlin.
Dies sei beim jetzigen Stand der Entwicklung der Pandemie fatal. Die alte Bundesregierung ist abgewählt, aber noch im Amt, und die neue Koalition bildet sich gerade. «Und diese hat vor drei Wochen einen Weg eingeschlagen, der inzwischen komplett überholt ist», so Kade.
Denn die SPD, die Grünen und die FDP hatten einen Gesetzesentwurf vorgelegt, in dem es hiess, «wir beenden die epidemische Lage». Diese ist in Deutschland die Grundlage für massive Beschränkungen in der Pandemie, wie zum Beispiel Lockdowns oder Schulschliessungen.
3G am Arbeitsplatz soll kommen
«Das wurde als völlig falsches Signal interpretiert, nach dem Motto: Die Pandemie ist vorbei, der Freedom Day rückt näher», erklärt Kade. Denn inzwischen ruft das Robert-Koch-Institut zu Kontaktbeschränkungen auf. Grosse Veranstaltungen sollten abgesagt werden. Und der bekannte Virologe Christian Drosten empfiehlt einen Lockdown für Ungeimpfte.
Angesichts der Warnungen und der hohen Zahlen in Deutschland mussten die neuen Koalitionäre ihren Entwurf, der diese Woche den Bundestag passieren soll, nun nachbessern. «Das heisst, wir werden am Donnerstag voraussichtlich ein Gesetz bekommen, dass tatsächlich verschärfte Massnahmen vorsieht, also 3G am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln», so Kade. Dies wäre neu in Deutschland.
Ausweitung auf 2G-Regel möglich
Hinzu komme, dass flächendeckende 2G-Regeln in den Bundesländern beschlossen werden können, so die Ressortleiterin. Solche verschärften Regeln werden teilweise auch schon angewendet, etwa in Sachsen, dem Bundesland mit den höchsten Inzidenzen in Deutschland. «Das ist das, was als Nächstes in einzelnen Ländern kommen wird», glaubt Kade.
Dies werde die ganze Diskussion um Corona-Massnahmen noch einmal verschärfen. «Aber wir haben am Beispiel Österreich gesehen, dass sich, wenn 2G gilt, tatsächlich doch noch Menschen entscheiden, sich impfen zu lassen. Und darauf kommt es ja an, dass man die Zweifler, die man noch erreichen kann, dazu bewegen kann, sich zu impfen.»
Rufe nach strikteren Massnahmen
Über eine allgemeine Impfpflicht werde derzeit in Deutschland zwar diskutiert. Die Journalistin hält die Einführung einer solchen allerdings für unrealistisch. «Dafür gibt es im Parlament und auch in den Bundesländern keine politischen Mehrheiten.» Was hingegen näherrücke, seien Test- und Impfpflicht für Beschäftigte in Senioreneinrichtungen. «Da scheint man sich politisch daraufhin zu bewegen.»
Auch Auffrischungsimpfungen, sogenannte Booster, werden in Deutschland bereits verabreicht. Älteren Menschen werde sie empfohlen. «Die jüngeren sind auch bald dran», sagt Kade. Doch dem Ganzen fehle die Struktur. Die Hausärzte müssten alles machen. «Auch hier hat man wegen des Regierungswechsels so einiges an Handlungen verschlafen.»