Bauer Mathieu Steensels steht in seinem Kuhstall im äussersten Osten von Flandern. Er ist Bauer mit Leib und Seele. «Bauer zu sein, das ist in meinem Blut», sagt er.
Den Hof mit den 130 Milchkühen hat er 2016 von seinen Eltern übernommen. Eigentlich müsste er den Stall erneuern. Doch er darf nicht. Die flämische Regierung will den Viehbestand reduzieren, deshalb erhält er keine Bewilligung.
Steensels versteht das nicht. Ein altes Gebäude abzubrechen und durch ein neues zu ersetzen, das sei in jedem Wirtschaftsbereich möglich. «Nur in der Landwirtschaft geht das nicht.»
Zu viel Stickstoff in den Böden
Der Hof von Mathieu Steensels liegt nur wenige hundert Meter von der niederländischen Grenze entfernt. Auf beiden Seiten der Grenze wird so intensiv Landwirtschaft betrieben wie in kaum einer anderen Region Europas. Hüben und drüben gelangt durch Dünger der Gülle deshalb zu viel Stickstoff in die Böden. Die Stickstoff-Grenzwerte werden seit Jahren überschritten.
Das ist insbesondere ein Problem für die Naturschutzgebiete: In der EU darf die Stickstoffkonzentration in geschützten Gebieten nicht zu hoch sein. Eine der Hauptstickstoff-Quellen ist die Viehwirtschaft. Aber auch aus der Industrie und dem Verkehr gelangt der Stickstoff in die Naturschutzgebiete. Sowohl in Flandern als auch in den Niederlanden plant die Politik, den Stickstoffausstoss zu reduzieren. Unter anderem mit drastischen Emissionsreduktionen in der Landwirtschaft.
Das macht die Bauern wütend. In Brüssel sind sie Anfang März mit ihren Traktoren vorgefahren, um gegen die Stickstoffpolitik der flämischen Regierung zu protestieren.
Ihre niederländischen Kolleginnen und Kollegen tun es ihnen gleich. Die neue Bauern- und Bürgerbewegung räumte im März bei den Lokalwahlen ab und könnte auch auf nationaler Ebene zu einer wichtigen Kraft werden.
Was zu viel Stickstoff im Boden bedeutet, zeigt Naturschützer Jos Ramaekers in einem Naturschutzgebiet. Die in der Region typische Heidelandschaft mit kleinen Büschen und Sträuchern drohe zu verschwinden, weil sie von Gras überwuchert werde. «Wenn zu viel Stickstoff auf den Boden kommt, dann nehmen die Gräser überhand und die Heidelandschaft verschwindet – und auch das ganze Ökosystem, das von der Heide abhängig ist.»
Den Ärger der Bauern kann er verstehen. Er sieht das eigentliche Problem woanders: «Der Fehler ist nicht bei den Bauern zu suchen, sondern bei der Politik, die das Problem viel zu lange nicht gelöst hat.»
Weil die Politik Entscheidungen lange gescheut hat, könnte sie nun zu drastischen Massnahmen gezwungen sein, um den Stickstoff in den Naturschutzgebieten schnell zu reduzieren. Ein Viertel der Bauernhöfe in Flandern könnte zur Schliessung gezwungen werden. In den Niederlanden dürften es sogar noch mehr sein. Doch noch ist nichts definitiv, Entscheide werden noch immer verschoben.
Sie halten uns das Messer an die Kehle. Aber sie wagen es nicht, sie durchzuschneiden.
Bauer Mathieu Steensels sagt, dass er so unmöglich für die Zukunft planen könne. Er wählt drastische Worte: «Sie halten uns das Messer an die Kehle. Aber sie wagen es nicht, sie durchzuschneiden.»
Er hofft, dass die Politik bald eine langfristige Landwirtschaftsstrategie vorlegt, und darauf, dass er seinen Beruf nicht aufgeben muss und dereinst als Bauer in Rente gehen kann.