Darum geht es: Indien leidet unter einer enormen Hitzewelle. Die Temperaturen in Neu-Delhi sind auf 52.3 Grad gestiegen. Eine solche Hitze wie am Mittwoch im Stadtteil Mungeshpur sei seit Messbeginn vor über einem Jahrhundert noch nie in der Metropole gemessen worden, so der nationale meteorologische Dienst. Weiter wurden in rund 40 anderen Städten mehr als 45 Grad gemessen.
Der Umgang im Alltag: «Alles ist tagsüber ein bisschen schläfriger, vor allem in ländlichen Gegenden», berichtet SRF-Südasienkorrespondentin Maren Peters. Einige Schulen seien geschlossen worden, nachdem Kinder wegen der Hitze kollabiert waren. Wer Glück hat, der kann zu Hause den Ventilator oder die Klimaanlage anstellen. Doch: «Millionen von Inderinnen und Indern haben diesen Komfort allerdings nicht. Sie sind der Hitze voll ausgesetzt.» Dies betreffe zum Beispiel Bauarbeiter, Rikschafahrer und die vielen Bäuerinnen und Bauern. Bereits warnte der meteorologische Dienst die Bevölkerung vor der Gefahr, einen Hitzschlag zu erleiden. Zuletzt erlitt gar der bekannte Bollywood-Schauspieler Shah Rukh Khan einen Hitzschlag.
Die Wasserversorgung: Einige Regionen des Landes haben derzeit auch mit Wassermangel zu kämpfen. Jetzt vor Beginn der Regenzeit sei in Dutzenden Stauseen der Wasserstand auf einen Bruchteil der Speicherkapazität gefallen, wie Behörden Medienberichten zufolge mitteilten. In der Hauptstadt sei nun «Wassersparen» verordnet worden, sagt Peters. «Autos, die hier in Indien trotz Wasserknappheit jeden Tag gewaschen werden, dürfen nicht mehr mit dem Gartenschlauch gewaschen werden, sonst droht eine Busse.» In Mumbai wurde bereits die tägliche Wasserzuteilung aus den öffentlichen Seen gekürzt. «Das trifft vor allem die vielen Armen, die in dieser Zeit schlichtweg mit weniger Wasser auskommen müssen», weiss Peters. «Der Mittelstand ist gut raus, der kann sich problemlos Tankwasser dazukaufen.»
Das Problem mit der Stromproduktion: Der Wassermangel beeinträchtigt derzeit auch die Stromerzeugung aus Wasserkraft. Gleichzeitig schoss zuletzt der Strombedarf in die Höhe, weil ein Teil der Bevölkerung Kühlung durch Klimaanlagen sucht. Es gebe die Befürchtung, dass es in weiten Teilen des Landes wie vor zwei Jahren zu einer Energiekrise kommen könnte, so Korrespondentin Peters. «Auch damals gab es eine ungewöhnliche Hitzewelle. Der Strom, der in Indien noch überwiegend aus Kohle produziert wird, wurde knapp, weil die Eisenbahnen mit dem Transport der Kohle zu den Kraftwerken nicht hinterherkamen.» Damals mussten einige Unternehmen ihre Produktion zeitweise herunterfahren. «So weit ist es jetzt noch nicht», erklärt Peters.
Einfluss auf Indiens Wahlen: In Indien finden noch bis Anfang Juni Parlamentswahlen statt. Sie dauern ganze sechs Wochen. Aufgrund der anhaltenden Hitze hat die Wahlkommission nun unter anderem angeordnet, dass an den Wahlstationen Schattenplätze und Trinkmöglichkeiten zur Verfügung stehen müssen. «Die Leute stehen hier oft ein, zwei Stunden oder gar länger an, bevor sie wählen können», sagt Peters. Viele würden demnach auch möglichst früh am Tag wählen gehen. «Tatsächlich wird spekuliert, ob die extreme Hitze einen Einfluss auf die Wahlbeteiligung haben könnte. In Delhi war die Wahlbeteiligung am letzten Samstag deutlich niedriger als bei der letzten Wahl – obwohl die Stadt extra einen Ferientag ausgerufen hatte.»