Im Mai, wenige Tage nach der Veröffentlichung des sogenannten Ibiza-Videos, liess der Social-Media-Manager des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz unter falschem Namen fünf Festplatten schreddern. Nun prüft die Staatsanwaltschaft, ob Beweismittel vernichtet wurden. Florian Klenk von der Wochenzeitung «Falter» wundert sich über die merkwürdigen Vorgänge.
SRF News: Was für Beweise könnten geschreddert worden sein?
Florian Klenk: Darüber kann ich nur spekulieren. Was man sagen kann ist, dass der zurückgetretene Heinz-Christian Strache in dem legendären, fünfstündigen Ibiza-Video nicht nur davon spricht, dass die FPÖ über nicht legale Wege Parteispenden bekommt, sondern auch die ÖVP und die SPÖ. Das führte vor einigen Wochen dazu, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen alle Vereine, die diesen Parteien nahestehen, eingeleitet hat.
Was ist genau vorgefallen?
Nur ein paar Tage nach Auffliegen der Ibiza-Affäre letzten Mai hat sich ein enger Mitarbeiter von Sebastian Kurz mit einem falschen Namen bei Gmail eine E-Mail-Adresse erstellt. Dann rief er bei einer Schredder-Firma an und fragte, ob er am nächsten Tag kommen könne, um fünf Festplatten höchstpersönlich zu schreddern – ein merkwürdiger Vorgang.
Aber man weiss nicht, ob private Familienfotos oder – wie Kurz sagte – Druckerserver vernichtet wurden?
Das Merkwürdige ist, dass diese Person in diese Schredderfirma kam und nicht sagte, dass sie vom Bundeskanzleramt ist, und auch nicht, dass das Druckerfestplatten aus dem Kabinett des österreichischen Bundeskanzlers sind. Er wollte sie selbst schreddern. Er schredderte sie sogar dreimal, was sehr ungewöhnlich ist. Wir haben mit dem Chef des Unternehmens, der Firma Reisswolf, gesprochen: In 25 Jahren sei so etwas noch nie passiert.
Was die Sache noch mysteriöser und fast schon komisch macht: Er vergass, die Rechnung zu bezahlen.
Kurz sagt, es seien Druckerfestplatten gewesen. Man hätte schon den Auszug aus dem Bundeskanzleramt vorbereitet. Offizielle Daten werden in dem Fall ans Staatsarchiv übergeben. Aber wenn Dokumente ausgedruckt werden, kleben noch Datenreste an den Festplatten. Die zerstört man. Man ruft eine Datenvernichtungsfirma an und die Daten werden vor den Augen des Teams oder des Securitybeauftragten professionell vernichtet.
Aber in diesem Fall lief es anders ab...
Hier steckte sich Kurz' Mitarbeiter diese Daten in den Hosensack und fuhr unter falschem Namen in einen Entsorgungsbetrieb. Was die Sache noch mysteriöser und fast schon komisch macht: Er vergass, die Rechnung über 76.40 Euro zu bezahlen. Daher erstattete die Firma Reisswolf Anzeige und die Justiz wurde auf diese merkwürdige Tangente der Ibiza-Affäre aufmerksam.
Sie haben die Seriennummern der Festplatten veröffentlicht. Wieso?
Wir wollen dokumentieren, dass es diese Festplatten gibt. Aber man kann anhand dieser Seriennummern noch weitere Details rekonstruieren, etwa wo solche Festplatten verbaut werden – es ist tatsächlich ein Drucker. Laut unserer IT werden solche Festplatten aber auch in Laptops verbaut. Letztlich muss die Justiz im Bundeskanzleramt vorstellig werden. Sie wird rekonstruieren können, welche Daten an diese Drucker geschickt wurden.
Was würde das bringen?
Das Problem in dem Fall ist, dass man nicht wirklich beweisen kann, dass es diese Festplatten waren, die geschreddert wurden. Denn der Herr, der in diese Firma ging, hat die Festplatten nicht aus der Hand gegeben. Er wollte eine Bestätigung, dass genau diese Festplatten zerstört wurden. Diese bekam er aber nicht, weil die Mitarbeiter dies nicht kontrollieren durften.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.