- Fast ein Jahr nach der Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in den USA hat der Prozess gegen den weissen Hauptangeklagten Derek Chauvin begonnen.
- Dem Ex-Polizisten wird unter anderem sogenannter Mord zweiten Grades vorgeworfen. Dies entspricht unserem Straftatbestand des Totschlags. Damit drohen ihm im Bundesstaat Minnesota bis zu 40 Jahre Haft.
- Das Verfahren in Minneapolis findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Diese Woche sollen zunächst vor allem die Geschworenen ausgewählt werden.
George Floyds Schicksal hatte in den USA über Monate hinweg zu Massenprotesten gegen Polizeigewalt und Rassismus geführt – und das, obwohl wegen der Pandemie vielerorts eigentliche strikte Auflagen galten. Auch in vielen anderen Ländern hatte es Demonstrationen gegeben, oft schrieben sich die Protestierenden das Motto «Black Lives Matter» auf die Fahne.
Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einer brutalen Festnahme ums Leben gekommen. Die Polizeibeamten hatten ihn wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben. Sie legten ihm Handschellen an und drückten ihn auf der Strasse zu Boden.
Urteil soll ein Zeichen setzen
Derek Chauvin drückte sein Knie gut acht Minuten lang in Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. «Ich kann nicht atmen», sagte er mehrfach. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb. Videos des Einsatzes – aufgenommen von Passanten – verbreiteten sich wie ein Lauffeuer.
Die Erwartungen an den Prozess sind gross. Viele Menschen, darunter wohl auch die meisten Schwarzen, hoffen auf eine lange Haftstrafe für Chauvin. Sie hoffen auf ein Urteil, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzt. Das Gericht in Minneapolis war wegen des Prozesses mit Betonsperren und Zäunen abgeriegelt worden. Rund um das Gebäude versammelten sich Hunderte Demonstrierende, die Gerechtigkeit für Floyd forderten.
Der Richter Peter Cahill lehnte das Ansinnen von Staatsanwalt Matthew Frank ab, den Beginn des Prozesses zu verzögern, um eine Entscheidung einer höheren Instanz abzuwarten. Chauvins Anwalt war gegen die Verzögerung.
Bei dem Streit ging es um die Zulassung eines zusätzlichen Anklagepunkts, die der Richter ursprünglich abgelehnt hatte. Ein Berufungsgericht hatte am Freitag erklärt, dass der Richter die Anklage zulassen sollte. Diese Entscheidung ist aber nicht endgültig, sie könnte noch vor dem obersten Gericht des Bundesstaats Minnesota landen.
Cahill erklärte, die Auswahl der Geschworenen könne trotzdem schon beginnen. Der Richter hat die zeitaufwendige Auswahl der zwölf Geschworenen und vier Ersatzkandidaten nun auf Dienstag verschoben. Das Hauptverfahren soll weiter am 29. März beginnen. Die Verhandlung soll dem Gericht zufolge dann bis zu vier Wochen dauern.
Dem Angeklagten drohen 75 Jahre Haft
Chauvin, der nach dem Vorfall entlassen wurde und später auf Kaution freikam, wird Mord zweiten Grades ohne Vorsatz vorgeworfen. Darauf stehen im Bundesstaat Minnesota bis zu 40 Jahre Haft. Die Anklage wirft ihm zudem auch Totschlag zweiten Grades vor. Das kann in Minnesota zusätzlich mit 10 Jahren Haft geahndet werden.
Wegen Corona ist die Anwesenheit im Verhandlungsraum stark begrenzt worden. So darf zum Beispiel nur je ein Vertreter der Familien Floyd und Chauvin anwesend sein, wie der zuständige Richter verfügte. Es dürfen auch nur zwei Journalisten anwesend sein – der Prozess wird aber live übertragen.