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Il Foglio Ai Werbegag oder Zukunft? Italienische Zeitung startet Experiment

Die Tageszeitung startet ein gewagtes Experiment: Journalisten agieren nur noch im Kontrollmodus, den Rest übernimmt KI.

Darum geht es: Künstliche Intelligenz statt Journalisten: Die italienische Tageszeitung «Il Foglio» ist am Dienstag erstmals mit einer Ausgabe erschienen, die allein mithilfe von KI erstellt worden ist. Das Experiment ist zunächst auf einen Monat befristet. Im Unterschied zur herkömmlichen Ausgabe mit zehn Seiten ist die KI-Ausgabe nur vier Seiten dick.

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Legende: Die Sonderausgabe der mit KI erschaffenen Zeitung. dpa/Christoph Sator

Ablauf der Aktion: Ai steht im Italienischen für Intelligenza artificiale, also Künstliche Intelligenz. Geplant ist, dass die KI-Systeme ausser den Texten auch Überschriften und Zusammenfassungen entwickeln sowie die wichtigsten Zitate aussuchen. Die Chefredaktion erläuterte dazu: «Wir Journalisten werden nur die Fragen stellen. Im KI-Blatt werden wir alle Antworten lesen.» Nach Darstellung der Redaktion ist «Ai» weltweit die erste gedruckte Zeitung, die nur mit KI erstellt wird. Im Internet experimentieren verschiedene Portale bereits mit reinen KI-Seiten. «Das hat man in dieser Form noch nicht gesehen», erklärt Michael Grassl, Professor für Journalismus und digitale Innovation an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Bislang habe man sich davor gescheut, alle Schritte durch KI ausführen zu lassen.


Zweck der Aktion: «Das ist sicher mal ein Werbegag», so SRF-Italienkorrespondent Franco Battel. Die Aktion mit Künstlicher Intelligenz habe dem Blatt viel Beachtung gebracht. Man könne die Aktion auch als Versuch sehen, ein junges und technologieaffines Publikum zu gewinnen. Schlussendlich sei es auch eine Provokation: «‹Il Foglio› sagt ja auch: Seht her, wir machen eine Zeitung, die eigentlich jeder auch zu Hause an seinem eigenen Computer basteln könnte.» Ein solches Experiment könne sich nur eine kleine Zeitung leisten, die auch eine gewisse Narrenfreiheit habe, so der Italien-Korrespondent.

Das ist «Il Foglio»

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Das erst 1996 gegründete Blatt gehört in Italien zu den kleineren Tageszeitungen, die landesweit erscheinen. «Es ist eine klar bürgerliche Zeitung, ich würde sie als rechtskonservativ einschätzen», erklärt SRF-Italienkorrespondent Franco Battel. Trotz der wenigen Abos werde das Blatt in Italien als prononcierte bürgerliche Stimme wahrgenommen, und: «‹Il Foglio› hat auch immer wieder Journalistinnen und Journalisten von nationaler Ausstrahlung oder Bedeutung.»

Experte über die Aktion: Auch Grassl findet das Experiment sehr interessant, aber: «Schlussendlich bleibt die Verantwortung in der Hand des Journalisten.» Das Ganze müsse auch kritisch betrachtet werden und man müsse sich zum Beispiel fragen, woher denn die Daten kommen würden und ob es eine Verzerrung gebe. «Die grosse Frage ist, ob man diese Prozesse ganz an die KI abgibt und nur noch in der leicht prüfenden Position ist.» Es sei unerlässlich, dass der Mensch weiterhin die Kontrolle habe, da dieser häufig trotzdem noch das besser Wissen habe. «Ein Beispiel: Gerade die amerikanischen Modelle haben möglicherweise weniger Daten aus dem globalen Süden. Hier ist eine gewisse Verzerrung nach wie vor gegeben und ich glaube nicht, dass man das so schnell auflösen kann.»

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Legende: KI spielt auch im Journalismus eine immer grössere Rolle. Keystone/Gaetan Bally

Reaktionen auf Aktion: Nationale sowie internationale Medien wie der «Guardian» haben bereits auf das Experiment reagiert. Aber: «Auch wenn alle Medien in Italien zumindest kurz darüber berichtet haben, ist die ganz grosse Debatte in Italien bisher ausgeblieben», so Battel. Die Zeitung habe aber versprochen, nach einem Monat Bilanz ziehen zu wollen. «Das wird dann sicherlich ein grösseres Medienecho hervorrufen.» Bei den Konsumenten würden eher skeptische Stimmen überwiegen, so Medienexperte Grassl. «Man möchte weiterhin ‹Human in the Loop›, also dass der Mensch weiterhin in der Verantwortung ist.» Bei Soft-News-Themen wie Wetter- oder Börsenberichten sei die Akzeptanz für KI-generierte Texte jedoch höher. «Anders sieht es aus bei nationaler oder internationaler Politik, da ist man deutlich skeptischer», so Grassl.

SRF 4 News, 19.3.2025, 16:31 Uhr ; 

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