Wenn die Rede davon ist, wie künstliche Intelligenz (KI) den Journalismus verändert, dann sind damit fast immer KI-Systeme wie ChatGPT gemeint – sogenannte grosse Sprachmodelle, die Journalistinnen und Journalisten ganz neue Möglichkeiten bieten.
Die London School of Economics hat jüngst eine weltweite Umfrage bei über 100 grossen und kleinen Redaktionen durchgeführt. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie künstliche Intelligenz heute schon im Redaktionsalltag nutzen.
«Wir sind noch am Anfang»
Auch Schweizer Medienunternehmen setzen auf die Technologie – wenn auch zurückhaltend, sagt Thomas Benkö, der bei Ringier die Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz prüft: «Wir setzen KI zum Beispiel bei Untertitelung von Videos ein oder bei der Verschriftlichung von langen Interviews.»
Bereiche also, bei denen die künstliche Intelligenz nur unterstützend zum Einsatz kommt und nicht selber Inhalte erstellt. «Wir kommen nicht am Morgen ins Büro, drücken auf einen Knopf und dann ist alles gemacht – wir sind noch am Anfang», lacht Benkö.
KI hilft bei fehlenden Ressourcen
Auch bei der NZZ-Mediengruppe, bei CH Media, bei TX Group (früher: Tamedia) und der SRG kommt künstliche Intelligenz unterstützend zum Einsatz. Zum Beispiel, um Vorschläge für Titel und Lead zu machen, um personalisierte Newsletter und Push-Nachrichten zu verschicken, oder um Radiosendungen zu verschriftlichen.
Mit entsprechendem Material gefüttert, kann die KI bestimmte Texte aber auch selber schreiben, sagt Thomas Benkö: «Wir versuchen, die KI Spielberichte aufgrund von Fussballdaten schreiben zu lassen. So können wir auch Spiele von tieferen Ligen abdecken, für die uns sonst die Ressourcen fehlen.»
Dabei ist Benkö wichtig zu betonen, dass keiner dieser Texte publiziert werde, ohne dass ihn noch ein Mensch kontrolliere.
Mit Fehlern gespickte KI-Texte
In den USA sieht das anders aus: Dort haben verschiedene Medien in den vergangenen Monaten Texte veröffentlicht, die nur von einer künstlichen Intelligenz erstellt wurden – zum Teil gespickt mit Fehlern und ohne Hinweis darauf, dass kein Mensch sie geschrieben hat.
Inhalte von etablierten Schweizer Medien, die ohne menschliche Kontrolle nur von einer KI veröffentlicht werden, gibt es heute nicht und wird es auch in Zukunft nicht geben.
Wird das in Zukunft auch in der Schweiz passieren? Stefan Wabel, Geschäftsführer des Verlegerverbandes Schweizer Medien, sagt nein: «Die etablierten Schweizer Medien werden keine Artikel publizieren, die automatisch generiert sind und ohne menschliche Kontrolle veröffentlicht werden.» So etwas gebe es heute nicht und so etwas werde es auch in Zukunft nicht geben, versichert Wabel.
Doch er gibt zu bedenken, dass kleinere Plattformen sehr wohl einmal solche Inhalte verbreiten könnten. Eine Einschätzung, die auch Susan Boos teilt. Die Präsidentin des Schweizer Presserats befürchtet, kleinere Onlinemedien könnten in dieser Hinsicht weniger sorgsam sein: «Da wird man genau hinschauen müssen, dass sie nicht Dinge publizieren, die eigentlich nicht gehen.»
Das Publikum will keine KI-Texte
Für die Medienhäuser könnte es sich lohnen, künstliche Intelligenz auch in Zukunft nur zurückhaltend einzusetzen. Denn einer aktuellen, repräsentativen Umfrage des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich zufolge ist die Akzeptanz KI-generierter Inhalte in der Bevölkerung gering.
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Weniger als ein Sechstel der Befragten wollen Artikel lesen, die vollständig von einer künstlichen Intelligenz geschrieben wurden. Und nur neun Prozent von ihnen wären bereit, für solche Inhalte zu bezahlen.