Gerald Ford formulierte es einst so: Grund für eine Amtsenthebung sei, was die Mehrheit des Repräsentantenhauses als Grund für eine Amtsenthebung sehe. Diese Aussage des ehemaligen US-Präsidenten beschreibt pointiert, wie schwammig die so folgenschwere Angelegenheit eigentlich ist. Denn die Verfassung gibt nicht detailliert Auskunft, was Gründe für eine Amtsenthebung sein können. Erwähnt werden einzig Hochverrat, Bestechung oder andere schwere Verbrechen und Vergehen.
Der Fall Clinton
William McCollum war einer der führenden republikanischen Abgeordneten, der 1998 Präsident Bill Clinton des Amtes entheben wollte: «Präsident Clinton begann eine Straftat, er log unter Eid. Und er behinderte Ermittlungen, indem er andere wie Monica Lewinsky anwies, ebenfalls zu lügen.» Wegen Meineids und Justiz-Behinderung rund um die Affäre-Lewinsky klagten die Republikaner Clinton im Repräsentantenhaus an. Der Senat sprach ihn frei, er blieb im Amt.
Trotz der «Verbrechen» drehte die öffentliche Meinung nicht entscheidend gegen den Präsidenten. Deshalb sahen vor allem viele demokratische Senatoren keinen Grund, gegen ihren Präsidenten zu stimmen. Dieser Vorgang zeigt exemplarisch, wie Amtsenthebung ein von der öffentlichen Meinung beeinflusstes politisches Verfahren ist.
Schwierige Beweisführung
Genauso wie heute, 21 Jahre später, rund um die Ukraine-Affäre von Präsident Trump. Die Demokraten werfen ihm nebst anderem Amtsmissbrauch vor. Er habe US-Militärhilfe für die Ukraine zurückgehalten, um Ermittlungen gegen den politischen Rivalen Joe Biden und dessen Sohn zu erwirken.
Für den Republikaner und einstigen Clinton-Ankläger McCollum kein Grund, den Präsidenten des Amtes zu entheben. Er sieht keine Straftat und betont, Präsident Trump habe aussenpolitisch viel Macht und Spielraum: «Man könnte sich streiten, ob es falsch war, die Zahlungen für seinen persönlichen Vorteil zurückzuhalten, aber auch das ist im Detail schwer zu beweisen. Für mich gab es keine schweren Verbrechen und Vergehen», sagt er.
Raum für Interpretationen
Die Verfassungsrechtlerin Kimberley Wehle von der Universität Baltimore widerspricht. Sie sagt, was bis jetzt gegen Präsident Trump vorliege, rechtfertige die Amtsenthebung-Untersuchungen der Demokraten auf jeden Fall. «Die Gründerväter waren besorgt, dass ein Präsident seine grosse Macht für persönliche Vorteile und nicht zum Wohl der Bevölkerung einsetzen könnte.» Amtsmissbrauch, um die eigene Macht zu erhalten, sei ein Vergehen für eine Amtsenthebung, obwohl es nicht eine Straftat ist, die man im Justizsystem verfolgen würde. Es falle zweifellos in die Kategorie «andere schwere Vergehen».
Und genau davon wollen die Demokraten die amerikanische Öffentlichkeit während der Anhörungen überzeugen. Ihre grosse Herausforderung: Das, was sie als Fehlverhalten des Präsidenten sehen, einfach und konkret nachzuzeichnen. Denn auch wenn sie mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus einen Grund für die Amtsenthebung sehen – letztlich brauchen sie einen massiven Meinungsumschwung in der Bevölkerung. Nur das würde die republikanischen Senatoren überzeugen, gegen ihren Präsidenten zu stimmen. Ansonsten: siehe Clinton.