Es geht weiter in Richtung Impeachment in den USA. Die Anhörungen können nun auch öffentlich erfolgen. Das dürfte die Fronten zwischen den politischen Lagern weiter verhärten, sagt USA-Kenner Christian Lammert.
SRF News: Was hat sich in Sachen Impeachment seit gestern getan?
Christian Lammert: Nicht viel. In Washington stehen sich nach wie vor zwei politische Lager unversöhnlich gegenüber. Neu können die Anhörungen auch öffentlich erfolgen, zudem dürfen die Anwälte von Präsident Donald Trump anwesend sein und die Zeugen befragen. Erst später wird sich zeigen, ob offiziell ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wird.
Nach Ansicht von Kommentatoren nützt es den Demokraten, dass die Anhörungen künftig öffentlich sein können. Sehen Sie das auch so?
Ja. Bislang konnten die Republikaner das Verfahren wegen fehlender Transparenz als illegitim bezeichnen. Künftig können Befragungen öffentlich und zur besten TV-Sendezeit abgehalten werden. Das kann einen Einfluss auf die öffentliche Meinung und die Berichterstattung in den Medien haben. Die Demokraten hoffen denn auch, dass das die republikanische Front aufbricht.
Es müsste ein riesiger Umbruch in der öffentlichen Debatte stattfinden.
Am Ende wird der Senat über die Amtsenthebung Trumps entscheiden – und dort sind die Republikaner in der Mehrheit. Weil es für eine Amtsenthebung eine Zweidrittelmehrheit braucht, müssten mehr als 20 Republikaner gegen Trump stimmen. Dafür müsste in nächster Zeit ein riesiger Umschwung in der öffentlichen Debatte stattfinden.
Es stehen nun Befragungen von gewichtigen Leuten an, wie etwa die des früheren nationalen Sicherheitsberaters, John Bolton. Wo liegen dabei die Risiken?
Man wird im Vorfeld nie wissen, wie klar die Aussagen eines Zeugen sein werden. Falls die Leute aus Trumps Umfeld zu ihm halten, wird sich das für die Demokraten nachteilig auswirken. Denn die Medienlandschaft ist stark polarisiert in den USA: Es gibt keine Mitte mehr, an beiden Polen werden völlig unterschiedliche Erzählungen präsentiert. Da kann jede Aussage grosse Veränderungen in der öffentlichen Meinung bewirken.
Letzte Nacht stand Tim Morrison hinter verschlossenen Türen Red und Antwort. Er war bis gestern Direktor des nationalen Sicherheitsrats, trat vor der Anhörung aber zurück. Was ist von seiner Aussage durchgesickert?
Er hat bestätigt, dass es beim Telefonat zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski das Quid pro quo tatsächlich gegeben hat. Allerdings sagte Morrison auch, dass er das nicht als illegal betrachte. Er kritisierte Trump nicht, was die Republikaner umgehend medial ausschlachteten. Sie werden weiterhin versuchen, das Impeachment-Verfahren als parteipolitisch motiviert darzustellen – was Trump schon seit längerem tut. Wenn das den Republikanern gelingt, werden sie politisch profitieren.
Die Republikaner werden das Verfahren weiterhin als parteipolitisch motiviert darstellen.
Wenn es dagegen den Demokraten gelingt, klarzumachen, dass das Amtsenthebungsverfahren ein notwendiges Element der Gewaltenkontrolle ist, die Legislative also die Exekutive kontrolliert, wird das ihnen nützen. Genau das versuchte die demokratische Mehrheitsführerin und Speakerin im Repräsentantenhaus gestern: Sie sagte nach der Abstimmung, dass das ein schwerer Tag für die Demokratie in den USA sei, dass man eigentlich kein Impeachment-Verfahren wolle, es aber tun müsse.
Der Kampf zwischen Republikanern und Demokraten dürfte jetzt also öffentlicher und härter werden?
Ja. Bis zur geplanten Abstimmung über ein Amtsenthebungsverfahren vor Weihnachten dürfte es jetzt sehr schmutzig werden.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.