Die Welt wartet auf Impfmittel gegen das Coronavirus. Doch nicht alle Länder setzen auf denselben Impfstoff. Denn nicht alle haben dieselben Bedürfnisse oder Voraussetzungen, um den Impfstoff an ihre Bürgerinnen und Bürger zu bringen. Vor allem für ärmere, tropische Länder wie Indien stellen sich besondere Herausforderungen.
Indien hat Impferfahrung
Indien hat viel Erfahrung mit grossangelegten und erfolgreichen Impfkampagnen. Während das Land noch 2009 die Hälfte aller Polio-Fälle weltweit zählte, ist Indien seit 2014 offiziell Polio-frei.
Und Indien hat riesige Kapazitäten, um Impfstoffe herzustellen. Es produziert rund 60 Prozent aller Vakzine und ist damit der grösste Impfstoffhersteller der Welt. Das Serum Institute befindet sich im indischen Pune. Dort wird bereits mit Hochdruck am von der Oxford Universität erforschten Impfstoff von Astra Zeneca gearbeitet, eine Zulassung hat dieser jedoch noch nicht. 60 Millionen Dosen werden zurzeit im Serum Institute monatlich hergestellt.
Die Firma verspricht, die Kapazitäten sogar noch aufzustocken. Denn der indische Staat will dem Hersteller längerfristig vier bis fünfhundert Millionen Dosen abkaufen.
Einfachere Lagerung
Der Grund, warum Indien auf den Oxford-Impfstoff setzt, ist seine Lagerung, sagt Malini Aisola von der indischen Denkfabrik, Drug Action Network. Sie sagt, der Impfstoff könne in gewöhnlichen Kühlschränken gelagert werden und benötige keine speziellen Tiefkühler. Das sei für Entwicklungsländer ein wesentlicher Vorteil. Ein anderer ist der Preis: Zwei oder drei Dollar sollen die Dosen kosten. Das ist für ärmere Länder wie Indien ein wichtiger Punkt.
Soweit, so gut. Doch das indische Gesundheitswesen ist hauptsächlich ein privates. Spitäler oder Impf-Institute werden ihre Arbeit den Patienten ebenfalls in Rechnung stellen, und dann ist es für viele Inder zu teuer. Zudem wird eine Dosis allein nicht reichen, denn der Oxford-Impfstoff ist weniger wirksam als andere, sagt der Virologe Prabir Chatterjee.
Der Impfstoff sei nur 70 Prozent wirksam, selbst nach zweimaliger Verabreichung. Deshalb müssten mindestens vier bis fünf Dosen des Impfstoffs verabreicht werden, um einen genügend hohen Schutz zu erzielen, so die Meinung des Virologen.
Viel zu wenig Dosen für die Bevölkerung
Indien hält jedoch an einer zweimal verabreichten Impfung fest. 70 Prozent Schutz sei genügend, sagen die Behörden. Zumal die Meinungen auseinander gehen, ob mehr Dosen tatsächlich auch mehr Schutz bieten. Bisher verspricht Indien 50 Millionen Dosen des in Indien hergestellten Oxford-Impfstoffes zu kaufen, und diese günstiger anzubieten. Das entspricht aber nur einer Dosis für nicht einmal fünf Prozent der Bevölkerung. Weit reicht das nicht.
Indien macht dieses Versprechen, obwohl es während der Testphasen zu erheblichen Komplikationen mit einem Patienten gekommen ist, wie Verhaltensänderungen und Gedächtnisverlust.
Solche Komplikationen sind nicht selten in klinischen Tests und müssen nicht unbedingt mit dem Impfstoff zusammenhängen, dennoch sei die Aufarbeitung des Vorfalls wenig durchsichtig, kritisiert Aisola. Sie ist besorgt, dass in Indien vielleicht ein nicht ausgereiftes Vakzin auf den Markt kommt. Das Serum Institute hat beim indischen Staat bereits eine Notfallzulassung beantragt. Die Regierung will in den nächsten Tagen entscheiden.