«An dieser Wand ist meine ganze militärische Vergangenheit.» John Nagl steht in seinem Büro und zeigt auf Bilder, Fotos, Auszeichnungen. Besonders stolz ist er auf zwei Orden, die er für seine Leistung bei Kampfeinsätzen erhielt - im ersten Irakkrieg 1991 und dann nochmals im zweiten kurz nach 9/11.
Was er in diesen Tagen aus den Medien und über seine Militärkontakte über die Eskalation der Gewalt im Irak erfährt, beschäftigt den 48-jährigen Familienvater sehr:
Unzufrieden mit dem Abzug
Nun stelle sich heraus, dass der ganze Mut und all die Anstrengungen für die Katz gewesen seien. Die USA hätten eine Resttruppe von rund 10'000 Mann im Land zurücklassen sollen, so, wie sie das in den letzten 100 Jahren nach allen Kriegen getan hätten, sagt Nagl. Und Iraks Premier al-Maliki hätte man zwingen müssen, mit sämtlichen Bevölkerungsgruppen im Land zusammenzuarbeiten. So aber hätten er und seine Freunde vergeblich gekämpft, seien 23 Mann in seiner Einheit vergeblich gestorben.
Nagl leitete als höherer Offizier eine Panzereinheit. Anders als der erste sei der zweite Irakkrieg ein Fehler gewesen, glaubt er. Saddam Hussein hätte man auch anders in Schach halten können. Besonders schwierig beim zweiten Irak-Krieg sei es gewesen, die Aufständischen zu bekämpfen. Es seien keine klassischen Soldaten gewesen.
Man habe nicht einfach auf einer Karte einzeichnen können, welches Gebiet erobert ist. Der Feind habe aus dem Schatten heraus operiert. Und man habe ein Gebiet nur solange beherrscht, wie man effektiv dort gewesen sei. Und manchmal habe man nicht einmal realisiert, dass man dabei auf einer Bombe gestanden habe. Bei ihm sei sie nicht hochgegangen, einige seiner Kameraden hätten weniger Glück gehabt.
Fachmann zur Bekämpfung Aufständischer
Dass es am Ende trotzdem gelang, die Gewalt einzudämmen, erachtet er als grossen Erfolg. John Nagl gilt als Experte bei der Bekämpfung von Aufständischen, hat darüber sogar seine Doktorarbeit und ein militärisches Handbuch geschrieben.
Umso weniger kann er, der 2008 aus der Armee ausgetreten ist, verstehen, warum nicht mehr getan wurde, um eine erneute Eskalation zu verhindern. Nagl befürchtet, dass die Isis-Gruppe irgendwann Terroranschläge im Westen verüben könnte. Luftangriffe könnten den Isis-Vormarsch zwar stoppen, mehr aber nicht.
Irgendwann, vielleicht auch erst in einigen Jahren, müssen wohl wieder Bodentruppen in den Irak beordert werden – so die düstere Prognose des zweifachen Irakkrieg-Veterans John Nagl.