Am Tag nach dem grausamen Anschlag auf einen Nachtclub in Orlando, stellt sich die Frage, in welchem Auftrag der Attentäter Omar Mateen gehandelt hat. Kurz vor dem Anschlag hat er die amerikanische Notruf-Nummer angerufen und so öffentlich dem Islamischen Staat die Treue geschworen.
Heuert der IS nun bereits weltweit Einzeltäter an, um in der westlichen Welt Anschläge zu verüben? Markus Kaim, Sicherheits-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, hält dies für unwahrscheinlich.
«Es gibt zwar eine Verbindung zum IS, aber es liegen keine Indizien vor, dass die Tat von der Terrororganisation gesteuert, geplant oder logistisch unterstützt wurde.» Die Terrortat gehöre eher in die Kategorie: «vom IS inspiriert».
IS hat die Tat wohl kaum gesteuert
Ausserdem gebe es Parallelen zwischen dem Orlando-Attentat und jenem von San Bernadino im vergangenen Dezember, so Kaim. Bei beiden Ereignissen handele es sich um eine kleine Zahl von Personen, die zuvor nie straffällig geworden seien und sich erst kurz vor der Tat öffentlich für den IS ausgesprochen hätten. Zumindest beim Attentat im kalifornischen San Bernadino kann eine Planung durch den IS weitgehend ausgeschlossen werden.
Jason Burke, Korrespondent des englischen Guardian, stützt die These von Kaim und führt drei weitere Argumente an, die gegen eine direkte Beteiligung des IS am Anschlag sprechen:
- Obwohl der IS für seine Homophobie bekannt ist, seien Homosexuelle nie Ziel von grossangelegten Gewalt-Ereignissen gewesen und stünden nicht im Fokus der Terrormiliz.
- Die Terrormiliz habe sich über eine ihr nahestehende Nachrichtenagentur zum Anschlag bekannt. Allerdings sei das Bekenntnis so knapp formuliert gewesen, dass der IS kaum über vertiefte Informationen über den Anschlag verfügt haben könne.
- Es sei üblich, dass Kämpfer des IS stets ihrem «Kalifen» Abu Bakr al-Bagdadi die Treue schwören würden und nicht dem «Kalifat» an sich. Mateen habe diese Regel nicht befolgt und seine Loyalität dem IS als Ganzes ausgesprochen. Dies zeige, wie wenig er über den IS wusste und dass er sich erst in jüngster Zeit radikalisiert habe.
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Dem IS ist egal, wer Gewalt verübt
Letztlich sei es für den IS aber egal, ob ein Anschlag von ihm durchgeführt oder nur von ihm inspiriert worden sei. Dieser Meinung ist die New York Times-Journalistin Rukmini Callimachi.
Massenmorde wie jene in Orlando seien explizit erwünscht und ein zentrales Element der IS-Propaganda. Bereits im Spetember 2014 hat der IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani alle Sympathisanten dazu aufgerufen Terrorakte im Namen der Terrororganisation auszuüben – und zwar ohne Erlaubnis. Mit einem einfachen Bekenntnis zum Terrorstaat, werde der Täter gemäss Callimachi für alle IS-Anhänger von einem einfachen Mörder zu einem heroischen Gotteskämpfer.