Seit Tagen drang von den Verhandlungen zwischen den Uno-Vetomächten plus Deutschland und dem Iran kaum noch etwas nach aussen. Sie wurden äusserst intensiv und höchst vertraulich geführt. Es war der britische Aussenminister Philip Hammond, der am Montagnachmittag als erster das Schweigen brach. Und zwar mit einer schlechten Nachricht.
Von einem Scheitern spricht niemand
Das Ziel, eine umfassende Lösung im jahrzehntelangen Streit um Irans Atomprogramm zu finden, wurde verfehlt. Offenbar waren die Differenzen so gross, dass die in Wien versammelten Aussenminister die verbleibenden Stunden bis zum Ablauf der Frist um Mitternacht gar nicht mehr nutzen wollten.
Weil die Frist aber erstreckt wurde und die Verhandlungen weitergehen sollen, mag dennoch niemand von einem Scheitern sprechen: Der britische, der russische und der iranische Aussenminister sprechen unisono von «grossen Fortschritten». Nur hätten sie leider doch nicht gereicht, um eine Einigung zu erzielen. Ihr deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier beteuert, niemand sei deprimiert aus dem Raum gegangen. So redet man sich Enttäuschungen schön.
Der politische Wille fehlte
Am Ende lag es weniger an Differenzen bei den technischen Details, als vielmehr am mangelnden politischen Willen. Denn beide Seiten hätten zuhause einen Kompromiss verkaufen müssen, der allen Zugeständnisse abverlangt hätte. Angesichts des politischen Klimas vor allem in Teheran und Washington wären diese Zugeständnisse offenbar zu gross gewesen.
Konkret heisst das: Das Genfer Übergangsabkommen von vor einem Jahr gilt vorläufig weiter. Teheran erhält ausserdem ein Zückerchen: Von seinem im Ausland blockierten Vermögen werden nun jeden Monat 700 Millionen Dollar freigegeben. Im Gegenzug darf es seine Uran-Anreicherung nicht ausweiten.
Umstände werden eher schwieriger
Wie immer in solchen Fällen fragt man sich nun, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist. Diesmal ist die Sache klar: Es ist halbleer. Denn die Voraussetzungen für eine Einigung waren heute besser als sie kommenden Juni sein werden; vor allem in den USA und im Iran.
In den USA werden ab Januar die Republikaner beide Parlamentskammern kontrollieren. Das heisst, es drohen neue Iran-Sanktionen. Und im Iran könnten nächstes Jahr Parlamentswahlen stattfinden. Präsident Hassan Rohani, der eine Einigung im Atomstreit wollte, wird da einen schweren Stand haben. Zumal er es nicht geschafft hat, das Joch der Sanktionen loszuwerden und damit den dringend erhofften wirtschaftlichen Aufschwung auszulösen.
Die Hardliner auf beiden Seiten bekommen nun viele Monate Zeit, jegliche Einigung zu hintertreiben. Und zweifelsohne wird Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu nun erneut für Militärschläge plädieren, um Irans Atomprogramm zu zerstören. Die historische Chance von Wien wurde verpasst. Mit unabsehbaren Folgen.