Im Nordirak, südlich von Kirkuk, an der südlichsten Front, verteidigen Peschmerga-Kämpfer kurdisches Stammland gegen den Islamischen Staat (IS). Hinter der Frontlinie liegt «IS-Land», erklärt Thierry und spricht dabei vom «Daesh», das arabische Schimpfwort für den IS.
Der Franzose im Kampfanzug mit sportlicher Sonnenbrille, spricht Englisch mit hörbarem französischem Akzent. Er ist nicht der einzige Europäer hier im Kurdengebiet. Sie hätten hier gemeinsam früher einige Befestigungen aufgebaut – die letzte Frontlinie der Peschmerga zum IS.
Derzeit ist es ruhig an diesem Frontabschnitt. Darum haben sie die Reporter von «10vor10» mitgenommen und führen sie zu einer ihrer befestigten Stellungen.
Heloisa glaubt an das Gute
Von der Ladefläche eines nachfolgenden Pick-Up-Fahrzeugs springt eine Frau. Eine Scharfschützin, ganz offensichtlich, mit ihrer schweren, langläufigen Waffe. Auch sie ist Ausländerin.
Das war an dieser Frontlinie nicht zu erwarten. Die Kämpferin stellt sich als Heloisa vor: «Wir alle, die wir ans Gute glauben, müssen doch unsere kurdischen Brüder und Schwestern im Kampf gegen den IS unterstützen!»
Heloisa ist Brasilianerin und ausgebildete Ärztin. Eine 40-jährige brasilianische Medizinerin, die als Scharfschützin auf der Seite der kurdischen Peschmerga gegen den IS kämpft und kein Blatt vor den Mund nimmt:
Wir hier sind alles professionelle, legale Terroristen-Killer! Armeen wie die kurdischen Peschmerga brauchen gute Scharfschützen, die den Befehl zu Töten befolgen!
Wie oft sie diesem Befehl bisher Folge geleistet hat, verrät Heloisa nicht. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen: «Nun, wann immer es nötig ist, tun wir unseren Job.»
Toni kennt kein Pardon
Auf dem Dach des Peschmerga-Aussenpostens steht ein weiterer Kämpfer. Der Mann mit dem Seehundschnauz und dem Gehörschutz erinnert an einen Wikinger.
Er stützt mit seinen mächtigen Unterarmen eine schwere Waffe auf Sandsäcken ab und zeigt Richtung 11 Uhr: «Da reflektiert etwas. Wir haben hier etwa 20 Dörfer zu räumen. Du kannst selber rechnen: Da sind etwa 100 bis 200 IS-Terroristen. Das wird ein harter Tag.» Der Mann wie ein Wikinger heisst Toni – tatsächlich, er ist Schwede. Er hat kein Lächeln im Gesicht, für ihn ist das hier blutiger Ernst.
Thierry kennt den Krieg
Die Ausländer im Kurdengebiet haben alle militärische Erfahrung. Thierry war 10 Jahre lang in der französischen Armee und war Fallschirmspringer und Scharfschütze. Er kämpfte in Afrika und im Nahen Osten.
Seit zwei Jahren reist er immer wieder ins irakische Kurdistan und wird hier zum Peschmerga, ein Kurden-Kämpfer: «Ich war Ausbildner bei der französischen Armee und war überall im Einsatz, auch in Übersee-Regionen. Solche Erfahrung brauchen die Leute hier.»
Es gehe ihm auch um die moralische Unterstützung. Er wolle ihnen zeigen, dass es auch Gute gebe bei ihm in Frankreich, und nicht nur französische oder europäische Bösewichte, die zum IS überlaufen, erklärt Thierry. Die ausländischen Peschmerga-Kämpfer hier sind alles Freiwillige. Sold erhalten sie keinen. In dieser Einheit kämpfen 15 von ihnen.
General Abdullah ist sehr zufrieden
Zurück im Hauptquartier zeigt sich der Kommandant dieser Peschmerga-Einheit, General Araz Abdullah, überzeugt von seinen Kämpfern aus dem Westen:
«Wir haben eine hohe Achtung vor diesen Ausländern, die kommen, um zu kämpfen. Wir wissen, dass sie viel aufgeben und dass sie ein angenehmes und sicheres Leben eintauschen gegen ganz viel Unsicherheit.»
Mit sich selbst im Reinen
So wie Heloisa, die Ärztin und Scharfschützin aus Brasilien. Ihr einziges Privileg im Nordirak ist ein eigenes Zimmer. Hier habe sie ihr Bett. «Glaub' mir: Ich bin jede Nacht mit mir komplett im Reinen. Verglichen mit der Front ist das hier ein 5-Sterne-Hotel.»
Und dann offenbart Heloisa den wahren Grund, weshalb sie dieses Leben bei den Peschmerga gewählt hat: «Ich habe meine gesamte Familie verloren als ich 9 Jahre alt war. Ich bin die einzige, die damals einen schweren Autounfall überlebt hat.»
Es gebe auf der Welt zwei Arten von Menschen: schwache und starke Menschen. «Wenn Du einen solchen Schicksalsschlag erlebt hast, dann wählen die schwachen Menschen den falschen Weg im Leben, und die starken wählen den richtigen Weg.»
Heloisa ist, wie alle ausländischen Peschmerga hier, überzeugt, den richtigen Weg gewählt zu haben.