Am Vorabend des EU-Brexit-Gipfels am Dienstag haben sich in Berlin die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Italien getroffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident François Hollande sowie der italienische Regierungschef Matteo Renzi erteilten Vorab-Vereinbarungen mit London eine Absage.
Man sei sich einig, dass Grossbritannien nicht auf informelle Gespräche vor einem Austrittsgesuch setzen könne, erklärte Merkel. Doch in der Frage, ob man nun Druck auf die Briten ausüben sollte, sofort einen Austrittsantrag zu stellen, gab es kleine Differenzen.
Merkel verwies auf Artikel 50 des EU-Vertrages, nach dem das austretende Land selbst entscheiden könne, wann es den Antrag stelle. Sie warnte aber vor einer «Hängepartie».
EU-Gründerländer machen Druck ...
Hollande forderte indes, der britische Antrag solle so schnell wie möglich kommen: «Wir haben keine Zeit zu verlieren. Nichts ist schlimmer als Ungewissheit.» Dies führe zu irrationalem politischem und finanziellem Verhalten: «Es darf keine Auswirkungen auf Europa haben.» Man habe Respekt vor der Entscheidung der Briten, könne aber auch Respekt von Grossbritannien erwarten.
Europa sei solide und stark und müsse nicht neu erfunden werden, betonten Hollande und Renzi. Man müsse sich auf die Prioritäten wie die Sicherheitspolitik, den Anti-Terror-Kampf sowie mehr Wachstum und Beschäftigung konzentrieren. Zudem brauche es Massnahmen, um das Vertrauen der Jugend in Europa zu stärken, sagte Hollande.
Auch Renzi mahnte Geschlossenheit an, um die Prioritäten rasch umzusetzen. «Wir dürfen nicht einfach abwarten, was passiert», sagte der italienische Regierungschef. «Wir wissen, dass wir keine Minute verlieren dürfen.» Die Brexit-Entscheidung sie traurig, es sei aber auch eine günstige Zeit, jetzt ein neues Kapitel aufzuschlagen.
... doch Briten stehen auf die Bremse
Die EU will also vorwärts machen, doch die Briten wollen erst auf den neuen Premier warten. Dieser soll am 2. September gewählt werden. Der amtierende britische Premier David Cameron betonte in einer Rede im Parlament, wann offizielle Austrittsverhandlungen beginnen sollten, liege allein bei Grossbritanniens.
Der Fahrplan mit Stichtag 2. September sei zwar sehr sportlich, meint SRF-Korrespondent Urs Gredig in London. Doch es könnte sein, dass sich Brüssel auch noch länger gedulden müsse. Denn es würde immer intensiver auch die Möglichkeit von Neuwahlen diskutiert. «Mich würde es nicht erstaunen, wenn der Brexit noch ein paar Monate, ja vielleicht bis ins nächste Jahr, unangetastet bleibt», meint Gredig.
Berlin ist am Zug
Seit dem Brexit ist die EU angezählt und sucht nach einem Weg aus ihrer Krise. Trotz selbstverordneter Zurückhaltung befindet sich Deutschland plötzlich in der Führungsrolle. Frankreich und Italien seien stark mit sich selbst beschäftigt, sagt SRF-Korrespondent Adrian Arnold: «Die Frage ist nicht ob, sondern wie Deutschland diese Führungsposition ausfüllen wird.»
Alle drei Länder wiesen jedoch den Eindruck zurück, dass nun das Trio der drei grossen verbleibenden EU-Staaten die Geschicke der EU bestimmen wolle. Es handle sich nicht um ein neues Direktorium, betonte Renzi. Allerdings hätten die drei bevölkerungsreichsten EU-Staaten eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt der EU, sagte Hollande. Merkel verwies darauf, dass es dabei bleibe, dass man Entscheidungen nur gemeinsam auf den EU-Gipfel treffe.
«Neuen Impuls» für die EU
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Derweil dringen die drei EU-Länder nach dem Brexit-Entscheid auf einen «neuen Impuls» für die Arbeit der Europäischen Union.
In den nächsten Monaten sollten konkrete Massnahmen etwa im Kampf gegen den Terror, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit erarbeitet werden, sagte Merkel.
Diskutiert werden solle auch, wie Signale an die jungen Leute in den europäischen Ländern gesendet werden könnten. Die Vorschläge für die Weiterentwicklung der EU wollen die Deutschland, Frankreich und Italien bis September vorlegen.