Auf der ukrainischen Halbinsel Krim haben bewaffnete Unbekannte die Gebäude von Parlament und Regionalregierung besetzt. Die etwa 30 Männer hätten mit Schnellfeuergewehren das Glas der Eingangstüren zerschossen und sich Zugang verschafft, sagte ein Behördenmitarbeiter der Agentur Interfax in Simferopol.
Demnach bezeichnete die Gruppe sich angeblich als Selbstverteidiger der russischsprachigen Bevölkerung der Krim. Ein Sprecher der Krimtataren teilte mit, die Männer würden Uniformen ohne nähere Kennung tragen. Es gebe zunächst keine Forderungen.
«Kriminelle in Militärkleidung»
Der Eingang des Parlaments sei mit einer Barrikade aus Holz und Abfalltonnen versperrt, hiess es. Am Sitz des Ministerrats wurden zahlreiche Sicherheitskräfte zusammengezogen.
«Die Behörden wollen schnell klären, wer die Besetzer sind und was sie wollen», sagte der Abgeordnete Andrej Sentschenko von der Partei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Der Verwaltung zufolge hält sich wegen eines arbeitsfreien Tages kein Angestellter im Parlament auf. Augenzeugen berichteten, auf den Gebäuden wehe die russische Fahne.
Der amtierende ukrainische Präsident Alexander Turtschinow rief derweil zur Ruhe auf. Turtschinow sprach von «Kriminellen in Militärkleidung». Er habe die Sicherheitskräfte angewiesen, alle Massnahmen zu ergreifen, die für den Schutz der Bürger notwendig seien.
Menschen wünschen sich Frieden
Die Mehrheit der Krim-Bewohner sind ethnische Russen. Am Vortag war es vor dem Regionalparlament in Simferopol zwischen Befürwortern und Gegnern einer Annäherung an Russland zu Zusammenstössen gekommen. Dabei waren mindestens 30 Menschen verletzt worden, einige davon mussten im Spital behandelt werden. Zwei Männer starben, einer davon an einem Herzinfarkt.
Ob die Mehrheit der Krim-Bewohner tatsächlich eine Abspaltung ihrer Halbinsel von der Ukraine möchten, sei völlig unklar, sagt Ann-Dorit Boy gegenüber SRF. Die Journalistin berichtet für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» von der Krim.
«Mein Eindruck ist, dass sich die Menschen eigentlich eher Frieden wünschen.» Sie hätten Angst davor, was eine Abspaltung von der Ukraine mit sich bringen würde. Allerdings seien die mehreren Tausend Russen an der Demonstration am Mittwoch sehr aggressiv und emotional aufgetreten. Ob diese Demonstranten aber repräsentativ für alle Russen auf der Krim sind, ist für Boy offen.
Russland mischt wohl auch mit
Der Hafen Sewastopol auf der Krim ist Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. Angesichts zunehmender Proteste auf der Krim hat Russland den Schutz der Flotte inzwischen verstärkt.
Moskau versucht aber auch, auf die Regionalpolitiker auf der Krim Einfluss zu nehmen. Wie die Journalistin Boy sagt, war der Parlamentspräsident der Krim letzte Woche in Moskau zu Gesprächen und in den vergangenen Tagen seien Vertreter aus der russischen Duma und aus dem Föderationsrat auf der Krim gewesen. «Bei den Gesprächen hinter verschlossenen Türen geht es um die Vergabe von russischen Pässen.» Es sei also ganz klar russischer Einfluss auf der Krim vorhanden.
Situation könnte eskalieren
Ob die Situation auf der Krim eskaliere hänge davon ab, ob sich extremistische, gewaltbereite Gruppen auf beiden Seiten in den Disput einmischen werden, sagt Boy. Die Besetzung des Parlamentsgebäudes durch offensichtlich gewaltbereite, russlandfreundliche Extremisten ist daher ein schlechtes Zeichen.
Öl ins Feuer hat auch die designierte ukrainische Übergangsregierung in KIew gegossen: Eine ihrer ersten Entscheidungen war, der russischen Sprache den offiziellen Status abzuerkennen. «Das hat hier für sehr viel Ärger und Zorn gesorgt», sagt Boy.