Zehntausend Tote in fünf Jahren: Das ist die vorläufige Bilanz des Kampfes der Terrororganisation Boko Haram für die Errichtung eines islamischen Staats im Norden Nigerias. Anschläge und Entführungen richten sich gegen westliche Einflüsse im bevölkerungsreichsten Land Afrikas. Bildung wird als Sünde betrachtet, in den von Boko Haram kontrollierten Gebieten gilt die islamische Rechtsordnung, die Scharia.
Wahlen als Bühne für Anschläge
Für die Präsidentschaftswahlen, die im Februar durchgeführt werden sollen, bedeute das nichts Gutes, sagt Afrika-Korrespondent Patrik Wülser. Nigeria werde dann im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen. «Boko Haram wird diese Bühne sicher wieder für Anschläge nutzen.»
Die radikalislamistische Gruppierung lehnt demokratische Wahlen grundsätzlich ab. Im Gebiet im Nordosten Nigerias, das Boko Haram im August zu einem Kalifat erklärt hat, dürften sich viele Menschen aus Angst nicht an die Urnen wagen. «Damit würde der Wahl ein Teil ihrer Legitimität fehlen», sagt Wülser.
Vertrauen in Regierung schwindet
An Legitimität fehle es zunehmend auch dem nigerianischen Präsidenten Jonathan Goodluck. Seine Versprechen nach mehr Sicherheit habe der 57-Jährige nicht eingelöst. «Der Kampf gegen Boko Haram ist bislang völlig gescheitert.»
Militärinterventionen seien oft brachial und repressiv und würden daher mehr Schaden anrichten, als Sicherheit schaffen, analysiert der Korrespondent. Die Bevölkerung verliere zunehmend das Vertrauen in den Staat – ein Nährboden für die fanatische Ideologie der sektenähnlichen Gruppierung.
Kamerun als weiteres Ziel
Boko Haram unterhält offenbar enge Kontakte zu den Al-Shabaab-Milizen in Somalia, zu den afghanischen Taliban und der Al-Kaida im islamischen Maghreb. Die Schura – ein Rat aus 20 Männern, der die Führungsspitze von Boko Haram bildet – unterhält zudem Kontakte in den Tschad und nach Kamerun.
Nun droht auch Nigerias östliches Nachbarland Kamerun in den Bürgerkrieg hineingezogen zu werden. Bereits vor einem Jahr drohte Muhammad Abubakar, der Anführer von Boko Haram, dem Präsidenten Kameruns mit Vergeltungsschlägen, sollte die Armee des Landes Mitglieder der Terrorgruppe bei ihrem Rückzug aus Nigeria nach Kamerun angreifen.
Am Wochenende überrannten rund 1000 mutmassliche Boko-Haram-Kämpfer einen Armeeposten Kameruns sowie fünf Dörfer an der Grenze zu Nigeria. Die Armee sah sich zum ersten Mal gezwungen, mit Kampfjets gegen die Terrorgruppe vorzugehen. Die Angreifer konnten zurückgeschlagen werden, die Zahl der Opfer ist noch unbekannt. Es dürften aber nicht die letzten gewesen sein.