Was für eine Abrechnung: Nie zuvor in diesem an Höhepunkten nicht armen Vorwahlkampf hat Hillary Clinton ihren Konkurrenten so unmittelbar, so hart und so persönlich angegriffen. In einer aussenpolitischen Grundsatzrede spricht sie Donald Trump sämtliche Fähigkeiten ab, die USA zu führen. Genau genommen bezweifelt sie sogar seinen Geisteszustand.
Clinton zeichnet Trump als instabiles Leichtgewicht, als ahnungslosen Politnovizen, gänzlich unvorbereitet, als aggressiven Macho mit fragwürdigen Neigungen. Ihn zu wählen? Ein historischer Fehler. «Unzusammenhängende Tiraden, persönliche Attacken, komplette Lügen!»
Überraschend scharf
Die Schärfe dieser Rede war überraschend. Clinton hatte bisher zwar oft und wiederholt gegen Trump Stellung bezogen, aber oft verhalten und noch nie so detailliert. Sie tat das in San Diego im Mantel jenes präsidentiellen Gestus, den sie so sehr an sich mag.
Wenn Donald seinen Willen kriegt, werden sie im Kreml feiern.
Die Welt der Aussen- und Sicherheitspolitik, satte 17 Flaggen um sie herum, 250 Geladene und eine Rede von einem festen Pult: Das liegt der früheren Spitzendiplomatin, First Lady und Senatorin so viel mehr als die Schwüle und Enge des Wahlkampfs.
«Wenn Trump nicht nur seinen Twitteraccount zur Verfügung hat»
«Ich kann Trumps bizarre Faszination für Diktatoren und starke Männer nicht verstehen», sagt Clinton. «Ich überlasse seine Vorliebe für Tyrannen den Psychologen.» Wenn Trump gewönne, feiern würde man im Kreml!
Stellen wir uns doch einmal vor, Trump hätte nicht nur seinen Twitteraccount zur Verfügung, wenn er wütend wird, sondern das gesamte Waffenarsenal der USA.
Einstweilen bleibt es ja bei Trumps Vorliebe für den Kurznachrichtendienst, seine Repliken noch während Clintons Rede bleiben für seine Verhältnisse aber flau und unpräzise. Mäkeleien an Clintons Nutzung eines Teleprompters, der Verweis auf ihre Vergangenheit, ausserdem sähe sie überhaupt nicht präsidiabel aus, das war's.
«Gefährlich zusammenhanglose Ideen»
Niemals dürfe so einer auch nur in die Nähe der Atomcodes kommen, sagt Clinton. Womöglich fange Trump kurzerhand einen Krieg an, weil ihm jemand blöd gekommen sei. «Trumps Ideen sind nicht nur eigenartig, sie sind gefährlich zusammenhanglos.»
Clinton will mit ihrer aussenpolitische Erfahrung punkten. Das ist nicht ganz ungefährlich, weil ihre Zeit im State Department nicht ausschliesslich unter «R» wie «Ruhm» in den Geschichtsbüchern stehen wird: Stichwort Bengasi mit vier toten Amerikanern beim Angriff auf das US-Konsulat in Libyen, Stichwort Irakkrieg, Stichwort E-Mail-Affäre.
Das ist hier in Kalifornien, wo am Dienstag eine so wichtige Vorwahl stattfindet, aber alles weit weg. Genüsslich ätzt sie gegen Trumps Haltung zur atomaren Bewaffnung anderer Länder, zur NATO, zu China, Russland oder Nahost. Sie verdammt seine Aussagen pro Folter, zerlegt seine Widersprüche im Kampf gegen den Islamischen Staat.
Trump als Narr
Dieses Bild, so hofft sie, soll nach ihrem wohlpräparierten Ausbruch hängen bleiben: Hier steht Hillary Clinton, erfahrene Aussenpolitikerin, Garantiin der Sicherheit, Inbegriff der Seriosität. Dort aber drohe Trump, der gefährliche Narr in der Nähe des Atomkoffers. Nichts verstehe er von Amerika oder der Welt.
Aufs Engste müssten die USA mit ihren Alliierten kooperieren, sagt Clinton und wendet sich damit gegen Trumps ausgesprochenen Isolationismus. Und fügt hinzu, Amerika müsse führen. Immer, wenn es das nicht tue, hinterlasse es ein Vakuum. Diesen Satz wird nicht nur Trump aufmerksam gehört haben, sondern auch Barack Obama.
Clintons Rede liess mehr als ahnen, wie gern sie sich voll und ganz dem Republikaner widmen würde. Allzugern nahm die Kandidatin im Wartestand schon mal im Hochsitz Platz. Aber noch ist Vorwahlkampf, auch innerparteilich. Zwischen ihr und Trump und der Welt stehen der grimmige Demokrat Bernie Sanders und sieben letzte Vorwahlen.
Ryan: Mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede
Derweil stellte sich der ranghöchste US-Republikaner im Kongress nach langem Zögern hinter den umstrittenen Präsidentschaftsbewerber. «Es ist kein Geheimnis, dass wir Differenzen haben», erklärte Paul Ryan, Präsident des Repräsentantenhauses, in einem Beitrag der Zeitung «The Janesville Gazette» seines Heimatbundesstaates Wisconsin. Tatsache sei jedoch, dass es bei politischen Fragen mehr Gemeinsamkeiten gebe als Unterschiede.
Ryans Unterstützung dürfte es nun für Mitglieder des Partei-Establishments einfacher machen, sich ebenfalls dem Milliardär anzuschliessen. Zudem kann Trump nun leichter argumentieren, dass die Partei hinter ihm die Reihen schliesse.
Trump hat bei den Vorwahlen der Republikaner inzwischen genug Stimmen, um die Nominierung auf dem Parteitag im Juli zu gewinnen. Trotzdem hatte Ryan zunächst gezögert, ihm seine Unterstützung zuzusagen. Trump ist wegen seiner Aussagen zu Frauen und Minderheiten sowie seiner Haltung zu Handel und Einwanderung auch unter Republikanern umstritten.
Auch Trump mischt auf
Trump hatte sich in einem Reuters-Interview bereit erklärt, mit Nordkoreas Staatchef Kim über das umstrittene Atomwaffenprogramm des abgeschotteten Staates zu reden. Im Gegenzug lobte ihn die nordkoreanische Führung als «weisen Politiker».
Der US-Milliardär hat für den Fall eines Wahlsiegs zudem eine deutliche Kürzung der US-Zahlungen an die Nato angekündigt. Er forderte, dass die europäischen Verbündeten sich stärker einbringen müssten, um ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten. Clinton hat er vorgeworfen, als Aussenministerin Libyen «in eine Spielwiese für Dschihadisten» verwandelt zu haben.