SRF News: Donald Trump brüstet sich damit, Abermillionen neue Wähler zu mobilisieren. Ist das pure Übertreibung oder ist da auch etwas Wahres dran?
Arthur Honegger: Bei Trumps Aussagen ist stets Vorsicht geboten. Harte Daten, wie viele Neuwähler er tatsächlich an die Urnen gebracht hat, gibt es nicht. Fest steht aber: Die Stimmbeteiligung bei den diesjährigen Vorwahlen ist bei den Republikanern höher als bei den Demokraten.
Das kann am Faktor Trump liegen, allerdings sind dieses Jahr auch ungewohnt viele republikanische Kandidaten in einem offenen Rennen angetreten. Das hat das Spektakel vergrössert und dürfte mehr Wähler mobilisiert haben. Trumps Beweise bleiben aber anekdotischer Natur: Beispielsweise Leute, die sich an seinen Wahlveranstaltungen als neue Wähler zu erkennen geben.
Trump hat aber herkömmlicheren republikanischen Kandidaten wie Marco Rubio und Ted Cruz keine Chance gelassen. Spricht das nicht dafür, dass er als Anti-Establishment-Kandidat neue Wähler mobilisieren konnte?
Vornehmlich hat er Leute für sich gewonnen, die nicht erst seit gestern von der Politik frustriert sind – etwa Anhänger der Tea Party Bewegung. In Trump haben sie nun ihre Leader-Figur gefunden. Das ist ihm allerdings gelungen, ohne sich an die bestehende konservativen Ideologie der Republikaner zu halten. Bis anhin war klar, wofür die Partei steht. Trumps projizierte Autorität steht für etwas anderes: Dem Wunsch nach einer harten Hand – und nach einem lauten Maul.
Kommt es zum Duell gegen Hillary Clinton, kann Trump die Anti-Establishment-Karte erst recht spielen. Inwieweit ist davon auszugehen, dass Trump im Präsidentschaftsrennen neue Wähler für sich gewinnt?
Nach seinen jüngsten Aussagen will er sich nicht zurücknehmen: Dass er poltert und austeilt, gehört für ihn zum Mandat seiner Wähler. Gut möglich, dass er mit seinem Auftreten weitere neue Wähler mobilisiert. Ich könnte mir durchaus auch vorstellen, dass etwa der eine oder andere Anhänger von Bernie Sanders Trumps populistische Art dem ausgewogeneren Auftritt Clintons vorziehen könnte.
Mathematisch bleibt ein Sieg Trumps gegen Clinton aber höchst unwahrscheinlich. Die Medien verlieren sich derzeit gerne im Hype rund um Trumps Erfolg. Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache: Die Stimmbeteiligung bei Vorwahlen liegt deutlich tiefer als bei Präsidentschafts-Wahlen. Dass Trump für die Nomination der Republikaner über 10 Millionen Stimmen gewinnen konnte, ist ein beachtlicher Erfolg. Will er im Herbst aber Präsident werden, braucht er 60 oder 70 Millionen Stimmen – das ist eine ganz andere Geschichte.
Trump dürfte alles in die Waagschale werfen, um möglichst viele Swing States für sich zu gewinnen. Ist ihm eine entsprechend erfolgreiche Kampagne zuzutrauen?
Um Swing States für sich zu gewinnen, braucht es politisches Handwerk – Rüpel-Tweets reichen dafür nicht aus. Der Schlüssel zum Sieg ist die Organisation; das Obama-Camp zum Beispiel hat das insbesondere bei dessen Wiederwahl 2012 meisterhaft hingekriegt. Trump müsste sich nun gegen eine potenziell enorm starke Clinton-Obama-Maschinerie durchsetzen. Und das mit einer Partei-Infrastruktur, die ihm als Outsider nur bedingt zu helfen bereit ist.
Hillary Clinton hat auch inhaltlich wichtige Trümpfe in der Hand: Sie spricht nicht nur die weisse Bevölkerung an und wäre die erste Frau an der Spitze des Landes. Ist Trump zuzutrauen, dass er auch bei Frauen, Latinos, Afroamerikanern und asiatischen Einwanderern zulegen kann?
Die Mehrheit der Wähler sind die Frauen. Diese lehnen Trump bisher mit grosser Mehrheit ab. Auch in der Gesamtbevölkerung ist Trump als Person zurzeit extrem unbeliebt. 65 Prozent der Wähler in den USA sehen ihn laut Umfragen negativ. Und noch wichtiger: 53 Prozent haben stark ausgeprägte negative Gefühle Trump gegenüber. Hier sprechen wir dann nicht mehr von Skepsis, sondern von gefestigter Ablehnung. Diese 53 Prozent sind historisch ein absoluter Rekordwert. Mit einer solchen Ausgangslage innerhalb weniger Monate noch Mehrheiten für die Präsidentschaftswahl zu erreichen, würde an ein Wunder grenzen.
Das Gespräch führte Emanuel Gyger.