Cornelius Gurlitt ist 81 Jahre alt. Er hat die Kunstsammlung von seinem Vater, einem Kunsthändler, geerbt. Die Vermutung lautet: Ein Teil der Gemälde besteht wohl aus Raubkunst – also aus Bildern, welche die Nazis seinerzeit den Juden abgenommen haben.
Eine Reporterin des «Spiegel» war vergangene Woche drei Tage lang mit Gurlitt unterwegs. Ihr Eindruck von ihm war der eines alten, völlig aus der Zeit gefallenen, kranken Greises. Eines einsamen Mannes, der von sich selber sage, er habe nur für diese Bilder gelebt – sie seien seine einzigen Weggefährten. Sein Vater habe die Bilder nicht, wie behauptet werde, unrechtmässig erworben.
Gurlitt: Bilder wären sonst zerstört worden
Als Liebhaber moderner Kunst habe er die Bilder seinerzeit vor den Nazis gerettet. Es seien Bestände aus Museen und staatlichen Sammlungen, die sonst zerstört worden wären. Sein Vater hätte sicher niemals mit Bildern aus jüdischem Privatbesitz gehandelt, sagt Gurlitt. Er, der Sohn, wolle die Gemälde jetzt auch nicht hergeben. Wenn er aber tot sei, könnten die Behörden damit machen, was sie wollten.
Einen Anwalt habe er nicht engagiert. Es würde sich aber vermutlich lohnen, sagt Gurlitt. Denn die Beschlagnahme seines gesamten Bestandes erscheint rechtlich mindestens sehr fragwürdig. Gurlitt wird Steuerhinterziehung und Unterschlagung vorgeworfen.
Unklare Rechtslage
Für zwei Vermögensdelikte eine ganze unschätzbare Sammlung von 1400 Teilen einfach abzuräumen, dürfte nur ganz schwer zu begründen sein. Die durchaus verständliche Absicht der Behörden war offensichtlich, das Material sicherzustellen, bis die Herkunft und die damit verbundenen Rechtsfragen geklärt sind. Das wurde dem alten Mann aber nach dessen eigener Darstellung so nie gesagt.
Rechtlich wäre das Vorgehen der Behörden auch dann problematisch. Bereits hat die deutsche Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger eingeräumt, das Verfahren sei sicher nicht optimal verlaufen. Jetzt werde eine Arbeitsgruppe das weitere Vorgehen prüfen.
Diese Woche sollen aber bereits alle Bilder auf einer Website gezeigt werden, damit sich Leute melden können, die ein Recht an ihnen geltend machen wollen. Hätte Gurlitt einen Anwalt, so hätte er wohl auch diesen Schritt verhindern können. Er aber sagt dem «Spiegel» ziemlich weltfremd: «Ich habe doch nie einen Anwalt gebraucht.»