SRF: Bis jetzt hiess es, die entführten Mädchen sollten als Sklavinnen verkauft werden. In einem heute Montag veröffentlichten Video fordert Boko Haram aber nun die Freilassung inhaftierter Islamisten, im Tausch gegen die Schülerinnen. Welche Strategie verfolgt Boko Haram damit?
Katrin Gänsler: Boko Haram schafft es so wieder, viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Es hiess schon vor einigen Wochen, dass viele der Mädchen Christinnen sind. In Nigeria wurde das damals eigentlich gar nicht gross beachtet. Die Menschen wollen einfach, dass die Mädchen wieder zurückkommen, egal ob sie Christinnen oder Musliminnen sind. Dennoch ist die jüngste Ankündigung für die christliche Gemeinschaft ein Schreck. Sie könnte auch dazu führen, dass es wieder zu Solidaritätskundgebungen ausserhalb Nigerias kommt.
Der Boko-Haram-Führer fordert im Gegenzug für die Freilassung der Mädchen die Entlassung aller inhaftierten Islamisten. Geht die Regierung darauf ein?
Das kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Bereits vergangene Woche wurde darüber spekuliert. Der Sprecher des Präsidenten hat dies vehement dementiert und gesagt, man verhandle nicht mit Boko Haram. Es gibt jedoch in Nigeria viele Beobachter, die sagen, man müsse sich auf einen solchen Deal einlassen, um die Mädchen zu retten. Sollte es zu einem Militäreinsatz kommen, dann besteht die Gefahr, dass die Mädchen dabei zu Schaden kommen. Verhandlungen wären für die Schülerinnen also möglicherweise der sicherere Weg.
Die Ankündigung, die Mädchen als Sklavinnen zu verkaufen, hat die Welt schockiert. Wollte Boko Haram damit ein möglichst grosses Medienecho provozieren, um nun die Freilassung der inhaftierten Islamisten zu verlangen?
Auf jeden Fall, das war hervorragende Propaganda von Boko Haram. Die Gruppe sucht sehr stark nach internationaler Aufmerksamkeit. Das haben wir auch in den vergangenen Jahren immer wieder gesehen, wenn sie Angriffe auf Kirchen begangen haben. Im Westen wurde dies häufig so gedeutet, dass die Gruppe primär Christen vertreiben und jagen will. Das Ziel war aber, auch im Westen Aufmerksamkeit zu erhalten. Mit den Anschlägen auf Kirchen ist das gelungen. Jetzt hat die Gruppe erneut ein grosses Medienecho ausgelöst.
Boko Haram hat es auch geschafft, die Regierung in Nigeria stark unter Druck zu setzen. Die muss nun handeln und wird mittlerweile auch von der Welt beobachtet.
Und in Nigeria selbst ist nicht nur eine Wut auf Boko Haram vorhanden, sondern auch eine Wut auf die Regierung?
Ja. Täglich finden in Nigeria Proteste statt. Die Menschen verlangen, dass die Regierung endlich handelt und dass sie die Mädchen zurückbringt. Mit welcher Taktik, ist vielen egal.