Die Hinrichtung des Geistlichen Nimr Baker al-Nimr in Saudi-Arabien hat für wütende Reaktionen bei Schiiten gesorgt. Wie die iranische Nachrichtenagentur Tasnim meldet, stürmte «eine Gruppe von wütenden Iranern» die saudische Botschaft in der Hauptstadt Teheran.
Die aufgebrachten Menschen sollen mehrere Feuer gelegt und Mobiliar zertrümmert haben. Polizisten hätten die Botschaft kurz darauf wieder geräumt. Die Regierung des schiitischen Irans rief nach dem Zwischenfall zur Ruhe auf. Das Video eines iranischen Journalisten soll zeigen, wie ein Molotov-Cocktail auf die Botschaft geworfen wird:
Zuvor hatte der iranische Ajatollah Ahmad Chatami – er gehört zu den ranghöchsten Geistlichen seines Landes – einen Aufschrei in der islamischen Welt gefordert. Das «Verbrechen» an al-Nimr werde dazu führen, dass die sunnitische Herrscherfamilie Saud aus den Geschichtsbüchern gestrichen werde.
Iran wirft Saudis «irrationale Politik» vor
Das iranische Aussenministerium warf Saudi-Arabien vor, Terroristen und sunnitische Extremisten zu fördern. Saudi-Arabien unterstütze auf der einen Seite terroristische und extremistische Bewegungen und benutze zugleich «die Sprache der Repression und die Todesstrafe gegen ihre inneren Gegner», sagte ein Sprecher.
«Anstatt sich mit den (IS-)Terroristen zu beschäftigen, die die Region und die ganze Welt gefährden, lassen die Saudis eine Persönlichkeit wie al-Nimr hinrichten.» Die rein politisch und religiös motivierte Tat reflektiere die irrationale und verantwortungslose Politik der Saudis, so der Aussenamtssprecher weiter.
EU und USA üben Kritik an Saudi-Arabien
Auch die EU protestierte gegen die Hinrichtung von insgesamt 47 Menschen in Saudi-Arabien. Die Union sei gegen die Todesstrafe und besonders gegen Massenhinrichtungen, teilte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini mit.
Es gebe ernste Bedenken, unter anderem wegen des Rechts auf freie Meinungsäusserung, erklärte Mogherini mit Blick auf Al-Nimrs Hinrichtung. «Dieser Fall hat auch das Potenzial, konfessionelle Spannungen, die bereits viel Schaden in der gesamten Region anrichten, mit gefährlichen Folgen weiter anzuheizen.»
Die USA riefen Saudi-Arabien derweil dazu auf, die Menschenrechte zu respektieren und zu schützen. Faire und transparente gerichtliche Verfahren müssten in allen Fällen gewährleistet werden, schrieb das US-Aussenministerium in einer Erklärung.
Das Ministerium appelierte zugleich an die Führung Saudi-Arabiens, mit allen gesellschaftlichen Gruppen zusammenzuarbeiten, um Spannungen nach den Hinrichtungen abzubauen. Der Europarat sprach sich dagegen grundsätzlich gegen die Todesstrafe aus und forderte Saudi-Arabien auf, diese zunächst nicht mehr zu vollstrecken.
Martialische Rhetorik bei Schiiten
Der frühere irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki sagte wegen der Hinrichtung al-Nimrs den Sturz der Regierung in Saudi-Arabien voraus. So wie das Verbrechen der Exekution des schiitischen Geistlichen Mohammed Bakir al Sadr das Ende von Saddam Hussein im Irak herbeigeführt habe, werde auch die Hinrichtung von Scheich Nimr den Sturz des Regimes in Saudi-Arabien zur Folge haben, sagte der Politiker mit engen Verbindungen zum Iran.
Der Führer der schiitischen irakischen Badr-Miliz, Kassim al-Aradschi, sagte dem TV-Sender al-Sumaria, das Verbrechen an Scheich al-Nimr habe «das Tor zur Hölle» geöffnet. Die schiitische Hisbollah-Miliz aus dem Libanon verurteilte die Hinrichtung al-Nimrs als Mord. Die Miliz sprach von einem schweren Fehler, den die Regierung in Riad gemacht habe. Der wahre Grund für die Hinrichtung sei gewesen, dass al-Nimr die Rechte eines unterdrückten Volkes einforderte.
Auch führende Schiiten aus dem Irak und dem Libanon sowie die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen reagierten empört auf die Hinrichtung al-Nimrs. In Bahrain kam es zu Protesten. Westlich der Hauptstadt Manama feuerte die Polizei Tränengas auf wütende Demonstranten. Die aufgebrachte Menge hielt Bilder des getöteten al-Nimr in die Höhe.