Kämpfer der radikal-islamischen Terrorgruppe «Islamischer Staat» (IS) haben im Nordirak die mehrheitlich christliche Ortschaft Tal Kaif unter ihre Kontrolle gebracht. Die Stadt sei eingenommen worden, nachdem IS-Kämpfer zuvor dort stationierte kurdische Soldaten vertrieben hätten, berichteten geflohene Bewohner.
Ein Bewohner sagte, dass die Angreifer Tal Kaif in der Nacht zum Donnerstag eingenommen haben. Die meisten Familien seien daraufhin in die zum kurdischen Autonomiegebiet gehörende nördliche Provinz Dohuk geflohen. Damit sind die vor allem von Christen bewohnten Gebiete rund um Mossul in Hand der Dschihadisten.
Region Karakosch unter Kontrolle der IS
Neben Tal Kaif stehen nun offenbar auch die Städte Karakosch, Bartella und Karamlesch «unter der Kontrolle militanter Kämpfer», wie der Erzbischof von Kirkuk und Sulaimanija, Joseph Thomas, sagte. Die Städte befinden sich im Osten von Mossul.
Die gesamte nördliche Region Karakosch sei nun unter Kontrolle der IS, berichteten Bewohner der Gegend gegenüber der Agentur AFP. Die IS vermeldet selbst, dass sie seit dem Start ihrer Offensive am Wochenende 15 Städte, eine Militärbasis, sowie den grössten Staudamm des Iraks im Norden des Landes eingenommen hätten. Kurdische Regierungsvertreter dementierten die Eroberung des Damms.
Hunderttausende auf der Flucht
Nach Angaben des obersten geistlichen Führers der christlichen Minderheit befinden sich 100'000 Christen vor den Dschihadisten auf der Flucht ins Kurdengebiet. Die IS-Kämpfer hätten Kirchen besetzt, Kreuze abgenommen und religiöse Schriften verbrannt, sagte der christlich-chaldäische Patriarch Louis Sako.
Nach UNO-Angaben sind in den letzten Tagen fast 200'000 Menschen vor den sunnitischen Extremisten geflohen. Es handle sich um eine «Tragödie immensen Ausmasses», sagte ein Sprecher der UNO-Koordinationsstelle für humanitäre Einsätze.
Jesiden droht Hungertod
Tausende Anhänger der religiösen kurdischen Minderheit der Jesiden hätten auf einem Berg im Norden des Landes Zuflucht gesucht. Rund 50'000 Mitglieder der Glaubensgemeinschaft hielten sich in der Region versteckt, so der Vertreter der kurdischen Peschmerga-Kämpfer, Dschabbar Jawar. Ihnen drohe der Hungertod, sollten sie nicht binnen 24 Stunden gerettet werden. Die IS-Kämpfer halten Jesiden für Teufelsanbeter.
Die USA erwägen möglicherweise Luftangriffe zur Rettung der Jesiden. Die «New York Times» berichtete, Präsident Barack Obama prüfe eine Reihe von Optionen, um den tausenden Jesiden zu helfen. Neben Luftangriffen auf IS-Stellungen werde auch eine humanitäre Hilfsaktion erwogen, berichtete das Blatt unter Berufung auf einen hohen Regierungsvertreter. Es gebe Überlegungen, aus der Luft Lebensmittel für die Flüchtlinge abzuwerfen, meldet das Blatt.
Sitzung des UNO-Sicherheitsrat verlangt
Angesichts des Vormarschs der IS im Irak will Frankreich eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates beantragen. Die internationale Gemeinschaft solle mobilisiert werden, um der terroristischen Entwicklung in Irak entgegenzuwirken, begründete dies Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius in einer Mitteilung. Die Bevölkerung müsse vor nicht hinnehmbaren Übergriffen geschützt werden.