Ein neues US-Gesetz erlaubt es Hinterbliebenen der Terroranschläge vom 11. September 2001, direkte Klagen gegen Saudi-Arabien wegen staatlicher Unterstützung von Terrorismus einzureichen.
Präsident Barack Obama hatte dagegen sein Veto eingereicht, wurde vom Kongress aber erstmals überhaupt überstimmt. Obama hatte argumentiert, das Gesetz sei nicht mit internationalem Recht vereinbar.
Wenig Freude am neuen Gesetz hat Saudi-Arabien. Doch: Der Schweizer Politikwissenschaftler Toby Matthiesen – er forscht in Oxford und hat Saudi-Arabien mehrmals bereist – sagt, der politische Schlagabtausch zwischen Washington und Riad sei auch ein bisschen Show.
SRF News: Wie sind die Reaktionen in den saudi-arabischen Medien auf das neue US-Gesetz?
Toby Matthiesen: Sehr negativ. Man sorgt sich um die Beziehungen zu den USA.
Saudi-Arabien droht den USA nun mit wirtschaftlichen Sanktionen. Wie ernst ist das zu nehmen?
Der saudische Aussenminister hatte schon im Frühling gesagt, sein Land müsse sich überlegen, US-Schuldscheine abzustossen, falls das Gesetz durchkommt. Auch andere Gelder müssten vielleicht aus den USA abgezogen werden, damit sie nicht blockiert werden könnten, sagte der Minister damals. Schliesslich ist das ja auch mit iranischen Geldern passiert, die zum Zeitpunkt der Revolution 1979 in den USA geparkt waren. Sie wurden eingefroren. Riad hat in den vergangenen Monaten bereits US-Staatsanleihen im Umfang von rund 30 Milliarden Dollar verkauft. Allerdings kann das auch mit den wirtschaftlichen Problemen Saudi-Arabiens zu tun haben.
Man hört, Saudi-Arabien habe im US-Kongress massiv gegen das Gesetz lobbyiert. Was steckt da dahinter?
Die Saudis haben in den USA eine der grössten Lobby-Organisationen überhaupt. Es arbeiten dort mehrere PR-Agenturen für sie. Offenbar haben auch mehrere Chefs von grossen US-Unternehmen Briefe an die Abgeordneten geschickt und sie darauf hingewiesen, dass das Gesetz nicht durchkommen dürfe. Doch das hat alles nichts gebracht. Dass das Gesetz nun trotzdem kommt, hat aber weniger mit Saudi-Arabien selber zu tun als mit amerikanischem Nationalismus und der Bedeutung von 9/11 in den USA. Den Abgeordneten ging es wohl vor allem darum zu zeigen, dass sie sich mit den Opfern der Terroranschläge solidarisieren – jetzt da der Wahlkampf ansteht.
15 der 19 Attentäter von 9/11 waren Saudis, die teilweise Beziehungen zu saudischen Diplomaten in den USA hatten.
Saudi-Arabien hat stets betont, man habe nichts mit den Terroristen von 9/11 zu tun, doch international bleibt die Skepsis gross. Wieso schafft es Riad nicht, diese Vorwürfe zu entkräften?
15 der 19 Attentäter von 9/11 waren Saudis, die teilweise auch Beziehungen zu saudischen Diplomaten in den USA hatten. Das ist allerdings noch kein Beweis dafür, dass die saudische Regierung in die Terroranschläge involviert war. Weil sich Al-Kaida und andere dschihadistische Gruppen auf das wahabitische Gedankengut berufen, das ja aus Saudi-Arabien stammt, ist es für das Land schwierig, sich vom Dschihadismus zu distanzieren.
Das Verhältnis zwischen den USA und Saudi-Arabien ist seit längerem belastet, etwa im Kampf gegen Terrorismus, beim Öl oder im Umgang mit Iran. Was verbindet die beiden Länder überhaupt noch?
Die Beziehungen zwischen ihnen sind seit 1945 ununterbrochen sehr stark. Die USA sind die Schutzmacht der Saudis. Die militärischen Beziehungen werden sich nun nicht wegen den politischen oder wirtschaftlichen Differenzen auseinanderbewegen. Die wirtschaftliche Verflechtung ist immens: In den USA studieren Hunderttausende Saudis, die saudische Währung ist an den Dollar gekoppelt, die Ölwirtschaft von US-Firmen aufgebaut worden und viele Amerikaner arbeiten immer noch in Saudi-Arabien. Zudem unterstützt die US-Luftwaffe die Saudis im Jemen-Krieg und es gibt starke Geheimdienst-Beziehungen. In gewisser Beziehung sind diese Spannungen auf höchster politischer Ebene deshalb auch ein bisschen Show.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.