Sklaverei, Folter, Personen, die einfach verschwinden, Todesstrafen ohne die Möglichkeit, sich vor Gericht zu wehren: Wer den Bericht der UNO-Kommission zu Eritrea liest, erhält ein Bild des Landes, das keine Zweifel über die schlimme Menschenrechtslage zulässt.
Hunderte geflohene Eritreer befragt
Oder doch? Denn auch Mike Smith und seine zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind von der eritreischen Regierung nicht ins Land gelassen worden: «Wir haben versucht, Eritrea selber zu besuchen. Wir haben der Regierung geschrieben, wir haben mit den eritreischen Diplomaten in Genf gesprochen, aber wir haben nie eine Antwort erhalten. Es ist offensichtlich, dass die Regierung nicht will, dass wir ihr Land besuchen», sagt Smith.
Woher also stammen die Informationen, aufgrund derer die UNO-Kommission ihren Bericht verfasst hat? Sie hätten Gespräche mit eritreischen Flüchtlingen im Ausland geführt: In Schweden, Deutschland, der Schweiz, Italien, Grossbritannien, den USA, Dschibuti, um nur einige zu nennen. 550 Personen hätten sich auf eine Mitteilung gemeldet, 160 weitere hätten schriftlich Auskunft gegeben.
Aus einem Muster Schlüsse ziehen
«Unsere Einschätzung basiert nicht nur auf der Aussage einer einzigen Person. Wir sprechen mit diesen Menschen in verschiedenen Ländern, verschiedenen Städten. Menschen, die sich nicht kennen. Wenn wir merken, dass sich die Aussagen dieser Eritreer decken, wenn wir ein Muster feststellen, dann ziehen wir unsere Schlüsse», beschreibt Smith die Vorgehensweise seiner Kommission.
Das stellt sich die Frage, ob diese Personen nicht ein Motiv haben, die Lage in Eritrea möglichst schlecht darzustellen, damit ihr Asylstatus nicht gefährdet ist? «Nein», sagt Smith. Die meisten der Befragten lebten bereits seit längerer Zeit im Ausland, seien von einem Land aufgenommen worden. Ausserdem habe seine Kommission klar gemacht, dass die Gespräche keinen Einfluss auf den Asylstatus der Interviewten hätten.
Der Australier ist sich bewusst, dass die Aussagen seiner Kommission und die Methode, wie diese eruiert werden, Angriffsfläche bieten. «Diese Kommission ist kein Gericht. Unsere Beweise müssen nicht gleich stichfest sein, wie bei einem Gerichtsverfahren. Wir ziehen unsere Schlüsse aufgrund logischer Schlussfolgerungen», betont er. Gleich arbeite die UNO übrigens bei Nordkorea. Auch dort würden die UNO-Menschrechtskommissionäre nicht ins Land gelassen.
In Eritrea ist kein normales Leben möglich
Die Diskussion in der Schweiz, ob Eritreer nicht einfach Wirtschaftsflüchtlinge sind, überrascht Smith. Ja, das seien sie natürlich zum Teil. Der Zwang zum Militärdienst und der sehr tiefe Lohn, der die Männer und Frauen dort erhielten, treibe die Menschen aus dem Land: «Sie realisieren, dass sie niemals genug Geld verdienen, um ein normales Leben mit einer Familie zu führen. Also flüchten sie.»
«Die wirtschaftliche Situation ist also eine Komponente. Aber viel grundsätzlicher geht es um das Menschenrecht, das machen zu können, was man will. Und wo man will. Das aber ist in Eritrea heute nicht möglich.» Denn wer aus Eritrea flüchte, müsse bei seiner Rückkehr mit Folter oder gar der Todesstrafe rechnen.
Es komme sogar vor, dass nach der Flucht die in Eritrea verbleibenden Familienangehörigen vom Staat drangsaliert werden. Der Australier Smith vertritt die Erkenntnisse seiner Kommission mit Überzeugung. Er akzeptiere, dass andere Leute eine andere Meinung haben, sagt er auf die Kritik aus der Schweiz. «Aber ich bin mir völlig sicher in meiner Beurteilung.»