SRF News: Wie reagieren die Menschen in Griechenland auf die Grundsatzeinigung mit den Geldgebern?
Gerd Höhler: Es ist eine Mischung aus Erleichterung und Betroffenheit. Erleichterung, weil für viele Griechen mit der Grundsatzvereinbarung die Gefahr eines Austritts aus der Eurozone zunächst einmal vom Tisch ist. Betroffenheit deshalb, weil der Preis dafür sehr hoch ist. Griechenland muss weitere Reformen umsetzen und sparen. Das werden die Griechen etwa in Form von höheren Steuern oder von Deregulierungen, die viele Berufsgruppen treffen werden, zu spüren bekommen.
Immerhin muss Griechenland im laufenden Jahr keinen sogenannten Primärüberschuss erwirtschaften. Was bedeutet das für die griechische Wirtschaft?
Das ist eine grosse Erleichterung für Griechenland. Offenbar haben die Geldgeber aus den Fehlern des ersten und zweiten Rettungsprogramms gelernt. Man hat Athen zu strikte Sparvorgaben verordnet und dadurch die griechische Wirtschaft zu tief in die Rezession getrieben. Noch im Juli war davon die Rede gewesen, dass Griechenland auch im laufenden Jahr einen Primärüberschuss erwirtschaften müsse. Das ist jetzt vom Tisch. Das Primärdefizit darf 0,25 Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen. Im nächsten Jahr soll dann der Primärüberschuss 0,25 Prozent betragen. Das bedeutet eine deutliche Lockerung der fiskalischen Vorgaben.
Die Grundvereinbarung zwischen Athen und den Geldgebern ist noch nicht in trockenen Tüchern. Könnten hier noch Überraschungen drohen?
Manche befürchten das. Mit Unruhe sieht man der Sitzung der Euro-Finanzminister am Freitag entgegen. Hintergrund sind die kritischen Worte des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble. Doch auch die Abstimmung im griechischen Parlament wird für Ministerpräsident Alexis Tsipras kein Spaziergang. Zwar wird nicht an einer Mehrheit für das Abkommen gezweifelt. Allerdings nur deshalb, weil Tsipras mit der Unterstützung einiger Oppositionsparteien rechnen kann. Dies ist für einen Regierungschef keine sehr schöne Lage; Tsipras führt im Grunde genommen schon jetzt eine Minderheitsregierung.
Das Gespräch führte Barbara Büttner.