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International «Die Südkoreaner sind gelassen, sehr gelassen sogar»

Morgen Montag wird Nordkorea den Geburtstag von Staatsgründer Kim Il-sung feiern. Das Regime könnte den Anlass für neue Provokationen nutzen – etwa einen Raktenstart. Wie reagieren die Menschen im Süden? SRF-Korrespondentin Barbara Lüthi ergründete in unzähligen Gesprächen ihre Stimmung.

Morgen könnte das Regime eine weitere Rakete abschiessen. Wie ist die Stimmung in Südkorea?

Hier in Seoul sind die Menschen gelassen, sehr gelassen sogar. Vor allem die Jüngeren haben keine Angst. Sie sagten mir, sie seien mit den Drohungen aus Nordkorea aufgewachsen – das Säbelrasseln habe daher keine Wirkung auf sie. Anders fielen die Antworten vieler älterer Menschen aus. Ich war heute in einer grossen protestantischen Kirche. Da haben mir die Älteren erzählt, dass sie sich Sorgen machen. Sie würden für den Frieden beten. Diese ungleiche Haltung zwischen Jung und Alt könnte aus der unterschiedlichen Erfahrung resultieren. Die Älteren haben den Koreakrieg in den 1950er-Jahren miterlebt. Das prägt.

Was bei den Südkoreanern vor allem zu spüren ist, ist nicht die Angst, sondern die Wut.

Die Gelassenheit der Jungen erstaunt.

Einer sagte mir, sie könnten nicht jedes Mal kopflos in Panik ausbrechen, wenn Nordkorea drohe. Die Südkoreaner haben ein stückweit gelernt, mit der Bedrohung zu leben. Sie haben ihre Alltagssorgen wie wir alle auch, sie müssen ihren täglichen Geschäften nachgehen. Das Säbelrasseln wird zwar wahrgenommen. Aber was bei den Südkoreanern vor allem zu spüren ist, ist nicht die Angst, sondern die Wut.

Wie äussert sich diese Wut?

Die meisten finden, es müsse jetzt dann bald einmal etwas passieren mit Nordkorea. Nicht weil sie Angst haben vor einem Krieg, sondern weil Nordkorea ihre Wirtschaft bedroht. Zum Beispiel der gemeinsame Industriepark Kaesong, den Nordkorea im Moment stillgelegt hat. Viele Südkoreaner können momentan nicht mehr dort arbeiten. Südkoreanische Geschäftsinhaber beklagen grosse Verluste. Und auch die Tourismusindustrie leidet unter dem Konflikt. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten beschäftigten sie.

Nordkoreanische Flüchtlinge sagten mir, die Welt solle sich vom Diktator nicht länger erpressen lassen.

Wie reagiert die südkoreanische Regierung auf diese Umstände?

Die neue Präsidentin Park Geun signalisiert im Moment Dialogbereitschaft – sie will vor allem deeskalieren, den Nachbarn möglichst nicht provozieren. Es ist auch das erste Mal, dass die Regierung Südkoreas Demonstrationen gegen Nordkorea verboten hat. Ich habe das noch nie so erlebt.

Noch vor nicht allzu langer Zeit hat die südkoreanische Regierung härtere Töne angeschlagen, hat mit Vergeltungsschlägen gedroht, sollte Nordkorea angreifen.

Die Regierung Südkoreas setzt im Moment auf den Dialog. Sie hält sich zurück. Spannend waren diesbezüglich auch meine Gespräche mit nordkoreanischen Flüchtlingen, darunter Menschen aus Arbeitslagern, einem Journalisten und einem Ex-Militär. Sie alle sagten mir, die Welt solle mit dem nordkoreanischen Regime hart sein, die Hilfe abstellen, sich nicht länger erpressen lassen, das Land völlig isolieren. Diktator Kim Jong Un bluffe nur. Er wisse, dass er einen allfälligen Krieg nicht gewinnen könne und deshalb nicht ernst machen würde. Weiter meinten sie, die Welt solle nur mit dem Diktator verhandeln, falls er die Bedingungen der internationalen Gemeinschaft akzeptiert.

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