«Es gibt jetzt keinen Grund dafür, dass die Menschen in Europa in diesem Winter frieren werden», verkündet EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel, wo Russland und die Ukraine kurz zuvor ihren monatelangen Gasstreit beigelegt haben.
Nach langen und harten Verhandlungen unterzeichneten die Energieminister beider Länder, die Chefs des russischen Gaskonzerns Gazprom und der ukrainischen Naftogaz sowie EU-Energiekommissar Günther Oettinger am Abend das sogenannte Winterpaket. Es regelt die russischen Gaslieferungen in die Ukraine bis zum März 2015, die Preise und die Begleichung alter Schulden.
Seit Juni liefert Gazprom kein Gas mehr in die Ukraine. Nach dem Sturz des Kreml-nahen Präsidenten Viktor Janukowitsch in Kiew hatte Moskau die Preise für Gas markant erhöht. Die neue prowestliche Regierung in Kiew weigerte sich, diese zu bezahlen. Zudem schuldete sie Russland Milliardenbeträge für bereits geliefertes Gas. Deshalb stellte Gazprom die Lieferungen in die ehemalige Sowjetrepublik schliesslich ein und verkündete, sie werde nur noch Gas gegen Vorkasse liefern.
Russland ist stärker von Europa abhängig als umgekehrt
Russland hat aber ein grosses Eigeninteresse, wieder Gas zu liefern. Denn Russland befürchte, dass die Ukraine das Gas, das für Europa bestimmt sei, abzweigen könnte, sagt Jeronim Perovic Professor an der Universität Zürich für Osteuropäische Geschichte. Dann käme es zu einer Versorgungskrise in Europa und der Ruf Russlands würde weiteren Schaden nehmen. «Russland ist zurzeit stärker von Europa abhängig als umgekehrt», ist Perovic überzeugt. Denn Europa sei der einzige Absatzmarkt für Russland Energieprodukte. «Europa hingegen importiert auch aus anderen Regionen der Welt Gas – zum Beispiel aus Norwegen oder Nordafrika.»
3,1 Milliarden Dollar für Russland bis Ende Jahr
Nach Angaben von EU-Energiekommissar Oettinger will die ukrainische Naftogaz der Gazprom in den kommenden Tagen 1,45 Milliarden Dollar bezahlen, um offene Rechnungen zu begleichen. Bis Jahresende tilge die Ukraine Altschulden von insgesamt rund 3,1 Milliarden Dollar.
Die endgültige Summe werde vor dem internationalen Schiedsgericht in Stockholm geklärt, so Oettinger weiter. Im Gegenzug soll Russland die Zölle auf Gasimporte in die Ukraine um 100 Dollar je 1000 Kubikmeter senken.
Bis Jahresende werde die Ukraine 378 Dollar für tausend Kubikmeter russisches Gas bezahlen und im ersten Quartal 2015 dann 365 Dollar, erklärten die Energieminister beider Länder. Russland betonte, damit gewähre es der Ukraine «eine Minderung um 100 Dollar».
EU: Ukraine kann bezahlen
Laut Oettinger erteilt das Abkommen der Ukraine zudem die Möglichkeit, Gasmengen nach ihrem Bedarf zu bestellen. Diese muss sie aber per Vorkasse zahlen. Bis Jahresende dürfte das Land vier Milliarden Kubikmeter Gas benötigen, was in etwa 1,5 Milliarden Dollar entspräche.
Offen war bis zuletzt, wie die Ukraine, die praktisch bankrott ist, ihre Rechnungen begleichen kann. Dazu sagte Oettinger, sie habe «im Haushalt Mittel für den Gaseinkauf bereitgestellt». Zudem sei das Land auch dank der Hilfsprogramme des Internationalen Währungsfonds IWF und der EU in der Lage, diese Bestellungen zu begleichen.