Wer dieser Tage den UNO-Hauptsitz durch die Sicherheitsschleuse betrat, las auf einem blauen Schild: «Die UNO ist nicht verantwortlich dafür, wenn etwas zerstört wird.» Gemeint sind natürlich Gegenstände, die in die Ritzen des Durchleuchtungsgeräts fallen. Zerstört wurde diese Woche jedoch etwas anderes. Die Hoffnung.
Die Hoffnung, dass die Vereinten Nationen – die viel zitierte Weltgemeinschaft, die oft gar keine Gemeinschaft ist – vorankommt bei der Lösung der grossen Konflikte: Nordkorea, Ukraine, Palästina – und vor allem Syrien, der zurzeit blutigste. Erreicht wurde hier gar nichts. Ja, oft versuchte man es nicht mal ernsthaft.
Blockierte Weltgemeinschaft
Der israelisch-palästinensische Konflikt war praktisch kein Thema. Offenkundig sieht da niemand mehr irgendwelche Lösungschancen. Über Nordkorea wurde gar nicht gesprochen, nachdem die Chinesen klargemacht hatten, sie seien nicht bereit, Druck zu machen auf das Atombomben- und Raketenregime. Den Ukrainekrieg überlässt die UNO einfach der OSZE.
Und zu Syrien gab es zwar stunden-, tage- und nächtelange Bemühungen, heftigen Streit, intensives Ringen. Ohne jedes Ergebnis. Bemühten sich die Hauptakteure überhaupt ernsthaft um etwas Greifbares?
US-Präsident Barack Obama war zwar vier Tage in New York, traf unzählige Präsidenten mit allen möglichen Anliegen. Ausser zu Syrien. Auch in seiner Abschiedsrede vor der UNO kam das Thema kaum vor. Der Chef der Supermacht hat hier resigniert.
Geht es um Sachfragen, funktioniert die UNO gut, oft sehr gut. Geht es hingegen um Machtfragen, versagt sie.
Weitaus gravierender war jedoch, dass die beiden wichtigsten Akteure im Syrienkonflikt gar nicht erst nach New York kamen. Diktator Baschar al-Assads Absenz ist verständlich: Er fürchtete, in den USA verhaftet zu werden, trotz diplomatischer Immunität als Gast der UNO. Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin jedoch gibt es keine Entschuldigung fürs Schwänzen.
Man stelle sich vor: Obama, Putin und am besten auch noch Chinas Präsident Xi Jinping, die starken Männer der drei grössten Mächte, wären gemeinsam am UNO-Sitz angetreten. Mit einem Friedensplan für Syrien, entschlossen, ihn durchzusetzen. Was wäre das für ein starkes Signal gewesen an die mordenden Widersacher vor Ort. Doch eben: Wäre. Hätte.
Macht- und Sachfragen
Dennoch: Die UNO-Gipfelwoche brachte viel. Das historische Klimaabkommen steht bloss noch einen Schritt vor der Inkraftssetzung. In unüblichem Rekordtempo bei einem derart wichtigen Vertrag. Der Migrationsgipfel bekannte sich dazu, Wanderungsbewegungen von Menschen seien nicht nur unvermeidlich, sondern vorteilhaft – und demnach zu fördern. Das mag umstritten sein, ist aber zumindest eine Haltung. Das Thema der Resistenzen gegen Antibiotika und damit der «Superkeime» wurde auf die politische Weltagenda gehoben. Und manches mehr.
Immer deutlicher wird: Geht es um Sachfragen, funktioniert die UNO gut, oft sehr gut. Geht es hingegen um Machtfragen, versagt sie. Vor allem wenn die Interessen der drei militärisch führenden Länder, USA, Russland und China betroffen sind. Seit das Verhältnis zwischen den USA und Russland wieder abgrundtief schlecht ist und jenes zwischen Washington und Peking immer schlechter wird, geht hier kaum noch etwas.
Die UNO ist nicht Schuld daran, sie ist das Opfer. Sie ist bei zwei ihrer Kerndossiers, Krieg und Frieden sowie Menschenrechte, gelähmt. Wen wunderts, dass die UNO-Kritiker, ja die UNO-Abschaffer, Oberwasser haben. Doch die entscheidende Frage lautet: Was gibt es denn für eine Alternative? Die Antwort liegt auf der Hand: keine.