Wenn es um Flüchtlinge geht, bewegt sich die UNO auf festem Grund. Sie kann sich auf die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 stützen, die politisch Verfolgten und heute de facto auch Kriegsflüchtlingen klare Rechte gibt. Diese sind im Grundsatz akzeptiert, obschon sie weltweit längst nicht überall konsequent gewährt werden. Punkto Flüchtlinge hat die UNO also vor allem ein Durchsetzungsproblem.
Bei den Migrantinnen und Migranten – ihre Zahl ist um ein Mehrfaches höher als jene der Flüchtlinge – betritt die UNO jedoch Neuland, wie UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sagt. Der heutige Flüchtlings- und Migrationsgipfel sei eine Premiere in der Geschichte der UNO. Bisher konnten die 193 UNO-Mitgliedstaaten ihre Migrationspolitik frei bestimmen und zum Beispiel auch festhalten, man wolle gar keine Zuwanderung. Verbindliche Abkommen gibt es nur zwischenstaatlich, etwa zur Personenfreizügigkeit in der EU.
«Migration ist unausweichlich»
Künftig wird die UNO jedoch moralisch und politisch Druck machen, Migration positiv zu sehen und sie zu erleichtern. Im offiziellen Video zum heutigen Gipfel heisst es denn auch: «Zuwanderer tragen enorm zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung der Welt bei.» Ban fordert die Regierungen auf, das anzuerkennen: «Migration ist nicht nur unausweichlich. Sie ist auch eine Riesenchance.»
Die UNO will deshalb die Möglichkeiten zur und die Sicherheit der Migration verbessern. Sie möchte die Rechte der Migranten stärken – ähnlich jenen der Flüchtlinge. Für Menschenrechtsorganisationen ist dieser Schritt überfällig, nach ihrer Meinung handelt die UNO gar zu zögerlich. Auch die Wirtschaft begrüsst Wanderungsbewegungen, ebenso die meisten Regierungen von Drittweltländern. Doch hauptsächlich in westlichen Staaten macht sich eine migrationsfeindliche Stimmung breit. Rechte Parteien lehnen Schritte ab, welche die Migration unterstützen. Konflikte mit einer migrationspolitisch aktiveren UNO sind deshalb vorprogrammiert.