Die Amerikaner haben in den kurdischen Kämpfern ihre schlagkräftigsten Verbündeten im Kampf gegen die Dschihadisten des IS, soviel ist unbestritten. Nach der Eroberung von Manbidsch plant die ungleiche Koalition aus lokalen Kämpfern und westlichen Sonderkommandos in Nordsyrien schon die nächste Offensive.
Der Vorstoss zielt auf Jarablous und al Bab und den letzten Grenzübergang zur Türkei, den die Dschihadistenmiliz IS noch kontrolliert. Die Geländegewinne sind bemerkenswert, bemerkenswert ist aber auch die Kritik.
Den Kurden wird vorgeworfen, sie versuchten mitten im Chaos des syrischen Bürgerkriegs einseitig Fakten zu schaffen und verfolgten ihre eigene kurdische Agenda. Rojava heisst das Projekt: Westkurdistan.
Es verbände drei voneinander getrennte, mehrheitlich kurdische bewohnte Gebiete im Norden Syriens, sogenannte Kantone, zu einer Einheit, einem breiten, zusammenhängenden kurdischen Band entlang der gesamten türkischen Grenze.
Vage Äusserungen zur politischen Zukunft
Dominierende Stimme im syrischen Kurdengebiet ist die PYD von Saleh Muslim, eine marxistisch inspirierte und straffe Partei, sie ist der syrische Ableger der PKK von Abdullah Öcalan, der mächtigen Kurdenpartei in der benachbarten Türkei.
Die PYD stellt die schlagkräftigen Milizen, die den Amerikanern im Kampf gegen IS so nützlich sind. Muslim versucht die arabische Kritik zu zerstreuen, in einem arabischen Interview mit dem kurdischen Satellitenkanal, den dieses Rojava schon hat: «Das Kurdengebiet wird ein Teil Syriens bleiben», betont der Parteichef.
Muslim spricht von Föderalismus, hält das Konzept bewusst vage. Eine Verwaltung für dieses Kurdengebiet aber wurde bereits ausgerufen. Und klar ist, die Dynamik ist auf Seite der Kurden.
Unheilige Allianz mit Assad?
Grosse Teile ihres Rojavas kontrolliert die PYD schon, im letzten offenen Verbindungsstück läuft der jüngste Vormarsch. Doch viele Dörfer sind gemischt kurdisch-arabisch oder gar turkmenisch bevölkert. In Manbidsch, aber auch in Tel Abjad oder Jarablous ist gar die Bevölkerungsmehrheit arabisch. Sie möchte wohl in einem von Scharia-Terror und Repression befreiten Syrien leben. Aber kaum unter kurdischer Verwaltung.
Saleh Muslim navigiert sehr geschickt, hält Beziehungen zu den Amerikanern, den Russen und auch zum Regime Assad. Die Anti-Assad-Opposition aber wirft ihm vor, er habe die Revolution verraten.
Die PYD mache gemeinsame Sache mit Assad, sagt uns auch Fouad Aliko. Er ist selber Kurde. Und einer der Sprecher der sogenannten syrischen Nationalkoalition, des wichtigsten Bündnisses des syrischen Aufstandes. Er war Delegierter bei den gescheiterten Verhandlungsversuchen in Genf.
Tatsächlich zog sich das Regime Assad früh aus den Kurdengebieten zurück, überliess die Sicherheit den Milizen von Muslim. Bei den jüngsten Kämpfen um Aleppo hielten Muslims Milizen den Regimekräften gar die Flanken frei und halfen mit, die Verbindungswege in die Rebellengebiete im Osten der Stadt zu kappen.
Washingtons unverzichtbarer Verbündeter
Entsprechend gross die Wut auf Seiten der Assadfeinde. Muslims Kämpfer versuchen Gegensteuer zu geben, operieren seit einem Jahr unter dem Namen syrische demokratische Kräfte. Christliche, turkmenische und einige sunnitisch-arabische Kämpfer wurden integriert. Das soll die Legitimität der Koalition stärken.
Das Kampfbündnis gegen IS wird gleichwohl weiterhin von Muslims Kurdenmilizen dominiert. Sicher kein Vorteil im ethnisch und religiös so aufgeladenen Klima des Syrienkriegs.
Washington aber glaubt keine Alternative zu erkennen. Die sunnitisch-arabischen Rebellen sind zumeist im Kampf gegen das syrische Regime gebunden. Und nicht bereit, die Front zu wechseln und gegen IS zu kämpfen, jedenfalls solange Assad an der Macht ist.
Aliko wirft der PYD von Muslim aber auch vor, sie unterdrücke innerkurdische Kritik. Der Kurde spricht von willkürlichen Verhaftungen in diesem Rojava, davon, dass Junge zwangsrekrutiert würden, überhaupt dass die PYD im syrischen Kurdengebiet eine autokratische Herrschaft von Öcalans Gnaden betreibe. Saleh Muslim weist das zurück. Beteuert demgegenüber, wie breit abgestützt seine Partei sei.
Warnungen aus Ankara und Teheran
Wie sich die Lage entwickeln wird, ist nicht vorauszusagen. Dazu ist der Syrienkrieg viel zu verworren. Klar nur, auch Damaskus verfolgt die Entwicklung im Norden ganz genau. Und Staatschef Assad nimmt gewiss erleichtert zur Kenntnis, dass kurdische Milizen ihm die Flanken freihalten.
Kurdische Selbstbestimmung allerdings sieht Omar Oussi kritisch. Auch er ein Kurde. Auch er Vertreter in der Delegation für Genf. Aber auf der Seite Assads. Gewiss, die Kurden seien benachteiligt worden in Syrien, hätten Anspruch auf die Anerkennung ihrer Eigenständigkeit, sagt er uns im Namen des Regimes.
Jede Form von territorialer Autonomie für Kurden aber sei aus Sicht von Damaskus unvorstellbar. Oussi sieht dafür auch keine Chance im regionalen Machtpoker. Tatsächlich: Manbidsch war kaum von IS befreit, da meldeten sich schon die Aussenminister der Türkei und Irans und warnten Kurden ausdrücklich vor Gebietsansprüchen in Syrien.