SRF News: Wenn Sie als Headhunter den Auftrag bekämen, einen Nachfolger für Joseph Blatter zu suchen: Welche Anforderungen müsste ein Kandidat erfüllen?
Christian Hofer: Grundsätzlich muss man sagen, dass die Leitung von Verbänden, wie die Fifa einer ist, mit zum Schwierigsten gehört, was es überhaupt gibt. Es gibt unterschiedlichste Ansprüche von unterschiedlichsten Gruppen. Die hohe Kunst ist, diese Gruppen dennoch gemeinsam in eine Richtung zu führen.
Was muss man dafür konkret mitbringen?
Einerseits muss man das Verbandsmanagement kennen, im Fall der Fifa am besten auch das Umfeld des Weltfussballs. Zudem muss man eine ausgeprägte Stärke zur Vernetzung haben und grosse Offenheit mitbringen. Andererseits sollte man unterschiedlichsten Kulturen vorurteilslos begegnen können. Und man muss eine grosse Unabhängigkeit mitbringen und stets eine Vogelperspektive einnehmen können. Wer sich von den Interessen einzelner Gruppen beeindrucken lässt oder persönliche Interessen verfolgt, hat verloren.
Sie sagen, ein möglicher Kandidat sollte das Umfeld des Fussballs kennen. Mit dem Korruptionsskandal im Blick: Wäre da ein Kandidat aus der «Fifa-Familie» als Reformer glaubwürdig?
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Die Fifa hat ein Reputationsproblem. In der Öffentlichkeit wird sie nur noch als korrupter Haufen wahrgenommen, auch wenn dies sicher nicht auf alle Funktionäre zutrifft. Im Sinne eines Neubeginns und um das Vertrauen wieder aufzubauen, wäre ein externer Kandidat sicher sinnvoll. Allerdings kennt jemand aus der «Fifa-Familie» die Strukturen des Verbandes bereits, was für einen internen Kandidaten sprechen kann.
Also ist für Sie beides möglich?
Auf jeden Fall muss es jemand sein, der weltweit eine hohe Glaubwürdigkeit geniesst und als moralische Instanz angesehen werden kann. Jemand, der glaubhaft Missstände aufdeckt und transparent über den Reformprozess kommuniziert – auch bei kritischen Fragen. Zudem darf er sich nicht scheuen, mit einzelnen Gruppen innerhalb des Verbands in Konflikt zu geraten und auch personelle Konsequenzen zu ziehen.
Wo würden Sie denn einen solchen Kandidaten suchen, wenn er Reformen durchsetzen soll?
Ich kann mir Kandidaten aus der Welt der Sportverbände vorstellen, ebenso aus internationalen Organisationen oder der Diplomatie. Allerdings muss man zum Beispiel bei Politikern beachten, dass ihre Glaubwürdigkeit in einem Teil der Welt sehr hoch sein kann, während man sie in anderen Teilen gar nicht schätzt. Und ich denke, es gibt bestimmt auch gute Kandidaten innerhalb der Fifa, die nicht in Korruptionsfälle verwickelt sind.
Man kann also jemanden finden, der im Weltverband Fifa – mit all seinen unterschiedlichen Kulturen und Interessen – tatsächliche Veränderungen durchsetzen kann?
Davon bin ich überzeugt. Man wird eine Weile suchen müssen, aber man wird diese Persönlichkeit finden.
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Bild 1 von 14. Scheich Ahmad al Fahad al Sabah aus Kuwait gilt als mächtiger Strippenzieher im Weltsport und hat die asiatischen Verbände hinter sich. Tritt der 51-Jährige, der Thomas Bach auf den IOC-Thron half, an, ist er einer der Favoriten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 14. Prinz Ali bin al-Hussein war bei Blatters Wiederwahl der einzige Gegenkandidat. Er zog sich aber während der Wahl zurück. Ob er selber nochmals kandidieren wird, liess al-Hussein offen. Der Jordanier liegt beim Sportwettenanbieter «bwin» an erster Stelle. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 14. Domenico Scala hat sich schon früh als möglichen Nachfolger von Joseph Blatter verabschiedet. Der in Basel geborene Manager leitet die sogenannten Audit- und Compliance-Kommission, die über die Rechnungslegung der Fifa wacht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 14. Der südkoreanische Hyundai-Milliardär Chung Mong-joon kündigte auf einer Medienkonferenz in Seoul an, eine Kandidatur in Betracht zu ziehen. Der ehemalige Fifa-Vizepräsident will nun in Gesprächen seine Chancen ausloten. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 14. Der Kaiser soll's richten! Diesen Wunsch hegt die Trainerlegende Ottmar Hitzfeld. Er bescheinigt Franz Beckenbauer die nötige Ehrlichkeit und Transparenz für die Nachfolge von Joseph Blatter. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 14. Uefa-Präsident Michel Platini wird weiterhin als Nachfolger gehandelt. Allerdings habe der ein Image-Problem, seit er bei der WM-Vergabe für Katar stimmte, meint SRF-Sportredaktor und Fifa-Spezialist Ueli Reist. Dennoch wäre er bei einer Kandidatur einer der Favoriten. Der Franzose selbst hält sich noch bedeckt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 14. David Ginola, französischer Ex-Fussballer, meldet als einer der Ersten sein Interesse für die Kandidatur an. Der 48-Jährige gab an, dass er bei gewonnener Wahl die Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland (2018) und Katar (2022) überprüfen wolle. Bildquelle: Reuters.
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Bild 8 von 14. Jérôme Champagnes Kandidatur für die Wahl von vergangener Woche scheiterte an den nötigen fünf Unterstützern. Der Franzose wäre ein Traumkandidat von aussenstehenden Reform-Forderern, dürfte es aber wieder schwer haben, genügend Unterstützer zu bekommen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 14. Welch absurde Blüten die Spekulationen um mögliche Kandidaten bisweilen treiben, belegt das Beispiel Diego Maradona. Der Exzentriker wurde von Venezuelas Präsident Nicolas Maduro ins Spiel gebracht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 14. Brasiliens Fussball-Idol Zico hat seine Kandidatur für den Fall angekündigt, dass für die Wahl «neue Spielregeln» definiert werden. «Wenn es die notwendigen Veränderungen gibt, werde ich antreten», sagte der 62-Jährige an einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 14. Mit dem Portugiesen Luis Figo dürfte ein weiterer ehemaliger Weltstar Ambitionen auf eine Kandidatur hegen. Der 42-Jährige zog kurz vor der letzten Wahl seine Kandidatur zurück, war davor der unabhängigste der drei Blatter-Herausforderer. Seine Chancen dürften auch bei einer neuen Kandidatur gering sein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 14. Aus Afrika, dem Kontinent mit den meisten Stimmen, hatte zuletzt Musa Bility seine Kandidatur angekündigt. Der liberische Verbandspräsident hatte sich in der Vergangenheit mehrfach kritisch über Blatter und auch den afrikanischen Verband geäussert, ist allerdings im Weltfussball ansonsten ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 14. Deutschlands Verbandspräsident Wolfgang Niersbach machte sich für eine starke europäische Kandidatur stark. Dafür könnte er sich den Niederländer Michael van Praag vorstellen, der zuletzt zugunsten von Prinz Ali bin al-Hussein zurückgezogen hatte und als grosser Kritiker des Fifa-Systems gilt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 14. Dass der Präsident des Verbandes, der den Weltmeister stellt, selbst antritt, galt lange als kaum realistisch. Mit der Veröffentlichung eines 10-Punkte-Plans zur Reformierung der Fifa ging Wolfgang Niersbach jedoch am 10. Juni in die Offensive; die Liste kann auch als Wahlprogramm für eine allfällige Kandidatur verstanden werden. Bildquelle: Reuters.