Ärzte im ungarischen Flüchtlingslager Röszke an der Grenze zu Serbien haben vor einer Ausbreitung von Krankheiten in dem Camp gewarnt.
«Magnesium und ein wenig Schnaps»
Es kämen zwar viele Kleider- und Lebensmittelspenden an, aber es fehle an sanitären Einrichtungen und medizinischer Ausrüstung. «Wenn es kein fliessendes Wasser und keine Waschmöglichkeiten gibt und Menschen mit ansteckenden Krankheiten ankommen, dann ist das ein Problem«, sagte Teresa Sancristobal, Chefin des örtlichen Teams der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Röszke.
Eine Priorität räumen die Ärzte vor Ort schwangeren Frauen ein, die oft wochenlang aus Krisengebieten im Nahen Osten zu Fuss unterwegs waren. «Wir haben viele schwangere Frauen, die einfach erschöpft sind und nicht mehr können», erklärte Sarah Schober, 28-jährige Medizinstudentin und freiwillige Helferin aus Österreich. «Wir können ihnen aber nur Magnesium und kleine Dosen Schnaps gegen ihre Krämpfe geben», fügte sie hinzu.
«Sie kommen teilweise mit Wehen»
Da es an Toiletten fehle, verrichteten die Menschen ihre Notdurft nahezu überall. «Bei dem warmen Wetter droht rasch eine Epidemie», warnte Schober. Gegenüber der österreichischen Zeitung «Der Standard» sagte die Helferin: «Wir haben einige hochschwangere Frauen hier, die sich am Abend eher über die Grenze trauen. Zum Teil kommen sie mit Wehen. Die Ärzte und Ärztinnen versuchen diese zu stoppen».
Die Medizinstudentin ist Teil eines Hilfskonvois der Österreichischen Hochschülerschaft, der sich momentan in Röszke befindet. 22 Personen hatten sich der Zeitung zufolge mit Medikamenten und Feldbetten im Wert mehrerer tausend Euro am Freitag zu dem ungarischen Lager aufgemacht. Sie werden voraussichtlich bis Sonntagabend in Röszke bleiben.
«Kurz vor dem Erfrieren»
Schober erzählt dem Blatt, dass die medizinische Verfassung vieler Flüchtlinge katastrophal sei. «Die Ärztinnen und Ärzte versorgen mehr und mehr Kinder mit Flöhen und Läusen, ausserdem spitzt sich die Zahl der Durchfallerkrankungen in den vergangenen Stunden zu». Die ankommenden Flüchtlinge seien in schlechter Verfassung.
Gerade Kinder seien stark unterkühlt und wären oft «kurz vor dem Erfrieren», sagt Schober. Mit Heizdecken und «Reibung» würden sie die Jüngsten wieder aufwärmen. Die schwangeren Frauen, die in Röszke ankommen, hätten keinen Platz, um zur Ruhe zu kommen. Es gäbe nicht genug Betten. Die Helfer vor Ort hätten gemeinsam mit den NGOs ein trockenes und warmes Zelt aufgebaut, indem nur Familien untergebracht würden.
Kaum Sanitäranlagen
Zudem sei es sehr schwierig Ambulanzen zu bekommen, die die Schwangeren Frauen in Notfällen ins Krankenhaus bringen. Wenn doch ein Rettungswägen käme, sei es «absurd», wie mit den Flüchtlingen umgegangen würde: «Sie erhalten keine Infos darüber wohin sie gebracht werden, es werden keine Daten aufgenommen. Wir erhalten keine Informationen mehr über ihren Zustand. Hier werden Familien zerrissen», betont Schober.
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Zwischen 20'000 und 40'000 Flüchtlinge würden in den kommenden Tagen noch erwartet, berichtet der «Standard». Das Lager, das auf einem Feld errichtet wurde, sei in einem schlechten Zustand. «Die Situation ist schlimm: Hier sind jede Nacht 3000 Menschen und mehr. Viele müssen unter freiem Himmel schlafen und es ist wirklich kalt hier», fügt Medizinstudentin Schober hinzu. Es gäbe im ganzen Camp keine Möglichkeit sich zu waschen. Kein warmes Wasser.
«Müllhalde»
30 Toiletten stünden für die vielen Menschen zur Verfügung, die «jenseits von Gut und Böse» seien: «Die Menschen nutzen daher den Raum zwischen den Zelten dafür.» Das Lager sei mittlerweile eine «Müllhalde». Überall würden Fäkalien, Essen, schmutzige Windeln und Gewand herumliegen. «Es fehlt an der zentralen Organisation. Alle versuchen zusammenzuarbeiten, aber es gibt null Unterstützung vom ungarischen Staat», kritisiert Helferin Schober.
Nicht einmal eine zentrale Essensausgabe sei vorhanden, einzelne Helferinnen und Helfer hätten eine Suppenküche eingerichtet und würden die Flüchtlinge versorgen. An der österreichisch-ungarischen Grenze in Nickelsdorf sind alleine am Samstag rund 6600 Flüchtlinge angekommen, erklärte ein österreichischer Polizeisprecher.
Wie bei einer «Fütterung von Tieren»
In Röszke trifft ein Grossteil der Flüchtlinge von der sogenannten Balkanroute ein, die Westeuropa erreichen wollen. Die Lage an dem Grenzübergang ist seit Tagen angespannt. Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge will weiter Richtung Deutschland oder Skandinavien reisen.
Zuletzt sorgte ein Video für Empörung, das zeigt, wie Polizisten in dem grössten ungarischen Auffanglager Tüten mit Brötchen wahllos in einer wartende Menge werfen. Österreichische Aktivisten kritisierten Zustände wie bei der «Fütterung von Tieren».