Der türkische Regierungschef reichte die Ministerliste bei Präsident Abdullah Gül ein, wie aus politischen Kreisen verlautete. Dabei hat Erdogan zehn Minister ausgewechselt.
Halkbank im Mittelpunkt der Ermittlungen
Nach Korruptionsermittlungen gegen ihre Söhne waren Wirtschaftsminister Zafer Caglayan, Innenminister Muammer Güler und Umweltminister Erdogan Bayraktar zurückgetreten. Im Mittelpunkt der Korruptionsermittlungen steht die Halkbank.
24 Menschen sind in Haft, unter anderem die Söhne Gülers und Caglayans. Der Sohn Bayraktars wurde ebenfalls festgehalten. Gegen die Ex-Minister selbst wird nicht ermittelt.
«Kurzfristig ist das für Erdogan nicht gefährlich»
Ob der Korruptionsskandal Regierungschef Erdogan schadet, denkt Korrespondent Werner van Gent nicht. «Kurzfristig ist das für Erdogan nicht gefährlich. Doch mittelfristig wird sich das ändern. Erdogan wollte im kommenden Sommer zum Staatspräsidenten gewählt werden. Ich glaube, dass wird jetzt sehr eng für ihn.»
Die Affäre ist zu einem Kampf der Regierung mit Justiz und Polizei geworden. Erdogan entliess in der Folge der Ermittlungen dutzende Polizeichefs. Hinter der Affäre wird ein Machtkampf zwischen Erdogan und den Anhängern des in den USA lebenden islamischen Predigers Fetullah Gülen vermutet. Die Gülen-Bewegung gilt als besonders einflussreich in Justiz und Polizei.
Van Gent prophezeit: «Die Gegner aus den eigenen Reihen sind sehr viel gefährlicher als die jugendlichen Demonstranten im vergangenen Sommer in Istanbul. Das Ganze dürfte also für die Türkei das Ende der Ära Sultan Erdogan bedeuten. Mittelfristig oder langfristig.»
Der Korruptionsskandal in der Türkei –Eine Chronologie:
- 17. Dezember: Im Morgengrauen kommt es zu Grossrazzien der Polizei in Istanbul und Ankara. Dutzende Menschen werden unter Korruptionsverdacht festgenommen, darunter auch drei Ministersöhne. Die Ermittlungen vor den Razzien dauerten über ein Jahr lang an, ohne dass die Regierung davon Kenntnis hatte.
- 18. Dezember: Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nennt die Ermittlungen eine «sehr dreckige Operation» gegen seine Regierung. Die Regierung beginnt damit, Polizisten zu versetzen, die mit den Ermittlungen befasst sind.
- 19. Dezember: Der Polizeichefs Istanbuls wird seines Postens enthoben und durch den Gouverneur der Provinz Aksaray ersetzt. Die Amtsenthebungen gehen in den folgenden Tagen weiter.
- 20. Dezember: Der mächtige Prediger Fethullah Gülen weist Verdächtigungen zurück, seine Bewegung könnte hinter den Ermittlungen stecken, um Erdogan zu schaden.
- 21. Dezember: Ein Gericht verhängt Untersuchungshaft gegen den Sohn von Wirtschaftsminister Zafer Caglayan, den Sohn von Innenminister Muammer Güler und gegen 22 weitere Verdächtige. Der Sohn von Umweltminister Erdogan Bayraktar wird unter Auflagen freigelassen.
- 21. Dezember: Der Skandal belastet das Verhältnis mit den USA. Regierungsnahe Zeitungen werfen US-Botschafter Francis Ricciardone vor, EU-Kollegen «den Sturz eines Imperiums» angekündigt zu haben. Ricciardone dementiert. Erdogan droht ungenannten Botschaftern: «Wir sind nicht gezwungen, Sie in unserem Land zu lassen.»
- 21. Dezember: Polizisten müssen ab sofort ihre Vorgesetzten über Ermittlungen informieren.
- 22. Dezember: Journalisten wird landesweit der freie Zutritt zu Polizeidienststellen untersagt.
- 25. Dezember: Innerhalb weniger Stunden erklären Wirtschaftsminister Caglayan, Innenminister Güler und Umweltminister Bayraktar ihren Rücktritt. Caglayan spricht von einem «dreckigen Komplott gegen unsere Regierung, unsere Partei und unser Land».
- 25. Dezember: Nach den Rücktritten bildet Erdogan sein Kabinett um. Zehn der 26 Ministerposten werden neu besetzt. Seinen Posten verliert auch EU-Minister Egemen Bagis, der der vierte Minister unter Korruptionsverdacht war.