«Wir haben das Waffenembargo gegenüber der syrischen Opposition beendet», sagte der britische Aussenminister William Hague kurz vor Mitternacht am EU-Aussenministertreffen in Brüssel. Es ist den EU-Staaten somit vom kommenden Samstag an erlaubt, Waffen nach Syrien zu liefern.
Grossbritannien und Frankreich erklärten jedoch umgehend, sie hätten noch keine konkreten Pläne für Waffenlieferungen. Sie betrachteten die Möglichkeit solcher Lieferungen vor allem als politisches Druckmittel. «Das ist das Ergebnis, das wir wollten», sagte Hague weiter.
«Die britische Regierung glaubt, dass allein die Drohung derartiger Waffenlieferungen an die Rebellen ausreichen wird, um den syrischen Präsidenten dazu zu bewegen, an der geplanten Friedenskonferenz nächsten Monat in Genf teilzunehmen», sagte dazu SRF-Auslandredaktor Martin Alioth.
Wirtschaftliche Sanktionen verlängert
Nach dem Beschluss der EU-Aussenminister soll im Fall einer Lieferung nur die Syrische Nationalkoalition – das offizielle Bündnis der Opposition – in den Genuss von Waffen kommen.
Die restlichen Sanktionen gegen Syrien haben die EU-Aussenminister hingegen verlängert, wie der britische Aussenminister Hague mitteilte. Hierbei geht es beispielsweise um Einreiseverbote, Verbote von Bankgeschäften und ein Einfuhrverbot für syrisches Öl.
Die Fronten waren schon vor den stundenlangen Gesprächen klar gewesen: Grossbritannien machte geltend, man müsse gerade jetzt Waffen an die Rebellen liefern können. Nur so würde sich Präsident Baschar al-Assad auf Verhandlungen einlassen.
Österreich hingegen argumentierte, man könne nicht jetzt, zwei Wochen vor der Friedenskonferenz in Genf, Waffenlieferungen ankündigen. Das sei kontraproduktiv. Ausserdem verstehe man die EU als Friedenshüter, nicht als Kriegspartei. Österreich drohte, seine rund 380 Soldaten der UNO-Blauhelmtruppe auf den Golanhöhen abzuziehen, falls die EU Waffen nach Syrien liefert.
Schweiz nicht betroffen
Es gab aber auch Stimmen, die für einen Kompromiss warben. So stand die Idee im Raum, nur bestimmte Waffen «zum Schutz der Zivilbevölkerung» zu liefern. Zudem sollten diese Waffen nur an bestimmte Empfänger gehen.
Für die Schweiz ergeben sich durch das Wegfallen des Embargos keine Änderungen im Umgang mit Syrien. Laut Artikel 5 der Verordnung über das Kriegsmaterial darf unter anderem kein Kriegsmaterial exportiert werden, wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist.
Russland kritisiert scharf
Der Sprecher der Freien Syrischen Armee (FSA), Luai al-Mekdad, forderte demgegenüber, Waffen sobald als möglich an die Rebellen zu liefern. «Wenn die internationale Gemeinschaft noch drei Monate mit einer Entscheidung zur Bewaffnung der Rebellen wartet, hat das Regime noch mehr Zeit, Menschen zu töten», sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Anders sehen das Assads Verbündete, namentlich der russische Vizeaussenminister Sergej Rjabkow in Moskau.
Das Ende des Waffenembargos sei ein «Fehler», sagte Rjabkow. Dies sei auch ein Rückschlag für die in Genf geplante neue Syrien-Konferenz. Moskaus Botschafter bei der Nato, Alexander Gruschko, sagte, dass sich der blutige Konflikt nun weiter verschärfen könne. Er warnte vor militärischer Hilfe für die Opposition.
Zähes Ringen um Konferenz
Die Vorbereitungen für die Genfer Syrien-Konferenz kommen indes nur langsam voran. «Das ist keine leichte Aufgabe», sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow am Montagabend nach einem Treffen mit seinem US-Kollegen John Kerry in Paris. Moskau und Washington wollen die Konferenz gemeinsam organisieren.
Kerry und Lawrow beschlossen, dem Regime und der Opposition die Möglichkeit zu geben, Mitglieder der jeweils anderen Delegation bei der Konferenz abzulehnen. Zudem sollten bei der Debatte über die Übergangsregierung die sicherheitsrelevanten Ministerien, der Geheimdienst und die Zentralbank ausgeklammert bleiben.
Blutvergiessen dauert an
Derweil gehen die Gräueltaten in Syrien weiter. Nach Berichten der syrischen Opposition stieg die Zahl der getöteten Kämpfer der libanesischen Hisbollah auf 141. Am Wochenende hatte sich die «Partei Gottes» offiziell zu ihrem Einsatz in Syrien an der Seite der Regierungstruppen bekannt.
Die Hisbollah sieht sich als wichtigste Kraft des Widerstands gegen Israel in der Region und kämpft um den Erhalt der «Achse gegen den Zionismus» mit Syrien und dem Iran.