Bundespräsident Johann Schneider-Ammann ist in Wien mit seinem Amtskollegen Heinz Fischer zusammengetroffen. Die europäische Flüchtlingskrise war eines der Themen beim offiziellen Arbeitsbesuch. Im Zentrum standen die bilateralen Beziehungen und die Politik der Schweiz gegenüber der Europäischen Union (EU).
Die Schweiz sei bei der Aufnahme von Asylsuchenden an ihrer «Kapazitätsgrenze» angekommen, sagte Schneider-Ammann in Wien. Die Schweiz habe bereits heute einen Ausländeranteil von 25 Prozent. Pro Jahr wanderten 80'000 Personen ein.
Österreich hatte vergangene Woche bekannt gegeben, eine Obergrenze für Asylsuchende einzuführen. Fischer hielt nach dem Treffen mit Schneider-Ammann allerdings fest, dass er den Begriff«Obergrenze» in der Flüchtlingsdiskussion nicht verwende.
Sich winden mit Begriffen
«Ich nehme zur Kenntnis, dass das Quantum für Staaten, die einen solchen Ansturm haben, ein Problem ist», erklärte Bundespräsident Heinz Fischer. Mit diesem Problem müsse man sich auseinandersetzen, jedoch müssten dabei sowohl das Verfassungs- wie auch das Völkerrecht berücksichtigt werden.
Eine «ziffernmässige Grenze ist auch aus Sicht der Bundesregierung ein Problem», erklärte Fischer. Darum verwende ein Teil der Regierungsmitglieder mit «Richtwert» auch jenen Ausdruck, der in der Vereinbarung festgelegt worden sei.
«Schweiz pocht auf Schengen-Regelung»
Nach Aussage von Schneider-Ammann besteht die Schweiz trotz der derzeitigen Flüchtlingsproblematik auf der Einhaltung der Regelungen des Schengen-Abkommens. Die Regierung bereite sich auch nicht spezifisch auf den Fall vor, dass Österreich nach Erreichen der für 2016 festgelegten Zahl von 37'500 Flüchtlingen beginne, diese zurückzuweisen. Die Schweiz verzeichnete im vergangenen Jahr 39'500 Asylgesuche, wie das Staatssekretariat für Migration mitteilte.
Die Schweizer Regierung sei eher mit einer Zuwanderungsfrage konfrontiert, die auf den «stabilen und innovativen Wirtschaftsstandort Schweiz» zurückzuführen sei, sagte Schneider-Ammann. «Wir haben jetzt schon einen Ausländeranteil von 25 Prozent». Die Nettozuwanderung pro Jahr betrage rund 80'000 Personen. «Das entspricht einer Stadt wie St. Gallen und das macht den Menschen Angst.»
Österreich unterstützt Verhandlungen mit EU
Daher habe die Schweizer Bevölkerung auch vor knapp zwei Jahren für die Masseneinwanderungsinitiative der SVP gestimmt, erklärte Schneider-Ammann. Ausländerkontingenten und eine Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit gefährdeten darum die bilateralen Verträge mit der EU.
Schneider-Ammann räumte ein, dass die vom Schweizer Volk angestrebte «innenpolitische Lösung» schwer mit der «aussenpolitischen Situation» koordinierbar sei. «Wir müssen in Brüssel zeigen, wie wir unsere Lösung finden wollen.»
Österreichs Bundespräsident Fischer meinte dazu, sein Land werde die entsprechenden Verhandlungen «konstruktiv und in Richtung Kompromiss» unterstützen. Derzeit gebe es keine Positionierung für den Fall, dass bis Ende des Jahres keine Lösung gefunden werde.