Der EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise hat mit dem Ergebnis geendet, dass die EU mit der Türkei weiterverhandeln will. Dabei gehe es unter anderem um Visaerleichterungen für Türken und um zusätzliche Geldzahlungen an die Türkei, sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk nach den rund zwölfstündigen Verhandlungen.
Beim nächsten EU-Gipfel am 17. März solle das Abkommen endgültig vereinbart werden. Man sei einen Schritt weitergekommen, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und der britische Premierminister David Cameron erklärte, man habe die Basis dafür geschaffen, einen Durchbruch zu erzielen.
Laut dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu haben die EU-Staaten eine Visaerleichterung für türkische Bürger bereits grundsätzlich akzeptiert. «Wir hoffen, dass Türken spätestens Ende Juni ohne Visum in die Schengen-Zone reisen können.»
Bazar in Brüssel
Der Sondergipfel war zuvor zum türkischen Bazar geworden: Die Türkei kam der EU entgegen und wollte sogar mehr Flüchtlinge aufnehmen, als bisher zur Debatte gestanden hatte. Im Gegenzug forderte Ankara aber mehr Geld und weitere Zugeständnisse von Brüssel.
Nach Angaben von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz verlangt die Türkei von der EU – neben der beschleunigten Visa-Liberalisierung für ihre Bürger – zusätzliche drei Milliarden Euro bis 2018.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der nicht nach Brüssel gereist war, forderte von der EU auch die Auszahlung der versprochenen drei Milliarden: «Es ist nun vier Monate her, und sie haben das Geld noch immer nicht überwiesen», sagte er in Ankara.
Im Gegenzug will Ankara neu illegal in die EU eingereiste Flüchtlinge zurücknehmen, verlangt dafür aber, dass jeweils als Kompensation die gleiche Zahl an Asylbewerbern aus der Türkei über Umsiedlungsprogramme in der EU aufgenommen wird.
Kritik aus Österreich
Gegen den neuen Vorschlag der Türkei gibt es aber Widerstand. Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling sagte am Rande des Treffens der Euro-Finanzminister, die EU habe eine Zusage für eine Finanzierung der drei Milliarden Euro gegeben.
«Ich bin nicht bereit, darüber hinaus Mittel zur Verfügung zu stellen, so lange nicht die Belastungen, die Länder wie Deutschland, Schweden, Österreich tragen, auch abgegolten werden», sagte der Wiener Minister.
Streit über Formulierung «geschlossene» Balkanroute
Zu Beginn des Gipfels gab es Streit um eine Formulierung: In dem von den EU-Botschaftern am Vorabend vorbereiteten Entwurf für die Gipfelerklärung hiess es, die Westbalkan-Route sei «nun geschlossen» – dies würde die Akzeptanz bislang heftig kritisierter Alleingänge von Österreich und anderen Balkan-Staaten bedeuten, stiess aber vor allem bei Deutschland auf Widerspruch.
Es könne «nicht darum gehen, dass irgendetwas geschlossen wird», sagte Merkel mit Blick auf die dramatischen Bilder von der – Gerüchten zufolge – abgeriegelten mazedonisch-griechischen Grenze. Eine Bestätigung aus offiziellen Quellen lag zunächst jedoch nicht vor.
In dieser Frage gehe es in erster Linie um die Formulierung, sagte SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck. «Die Route ist faktisch geschlossen, die Zahl der Flüchtlinge ist stark zurückgegangen.» Im Abschlusstext des Gipfels ist nun nicht mehr von einer «geschlossenen» Balkanroute die Rede. Stattdessen heisst es: «Irreguläre Ströme von Migranten entlang der Route des westlichen Balkans müssen nun enden.»
Nato-Mission in Ägäis angelaufen
Während in Brüssel verhandelt wurde, trafen die ersten Schiffe der Nato in der Ägäis ein. Die Schiffe sollen ablegende Flüchtlingsboote der türkischen Küstenwache melden, damit diese sie stoppt.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte nach einem Treffen mit dem türkischen Regierungschef Davutoglu: «Wir haben entschieden, unsere Aktivitäten auf die Seegebiete der Türkei und Griechenland auszuweiten. Die Nato startet diese Aktivitäten heute. Zudem erhöhen wir Zahl der Schiffe bei unserem Einsatz.»
Der Verband hatte der Küstenwache schon in den vergangenen Tagen Boote mit Migranten und Flüchtlingen gemeldet, konnte bislang aber wegen Unstimmigkeiten zwischen der Türkei und Griechenland nicht in das Hauptoperationsgebiet einfahren.