«Re Giorgio» – der unscheinbare Krisenmanager
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Bild 1 von 15. Giorgio Napolitano – Widerstandskämpfer, studierter Jurist und dereinst moderater Kommunist. Er gehörte in den 70er-Jahren zu denjenigen, die für den «historischen Kompromiss», das Regierungsbündnis aus Kommunisten und christlichen Demokraten, eintraten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 15. Die Liste seiner politischen Ämter ist lang: So war Napolitano etwa Regionalpräsident von Kampanien, Bürgermeister von Neapel, Innenminister und Parlamentspräsident. 2006 dann der Höhepunkt: Napolitano wurde als Staatspräsident Italiens vereidigt – als Erster mit kommunistischer Vergangenheit. Hier der damals 80-Jährige, sichtlich gerührt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 15. Die Italiener nennen Napolitano liebevoll «Re Giorgio» (König Giorgio). Er wirkte einigend, griff korrigierend ein, erfüllte seine repräsentativen Aufgaben und spielte bei der Überwindung von Regierungskrisen oft eine Schlüsselrolle. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 15. Napolitano war ein Präsident aller Italiener und des gesamten politischen Spektrums. SRF-Korrespondent Philipp Zahn: «Selbst Berlusconi würdigte Napolitanos Arbeit. Er bezeichnete ihn als Garant für politische Stabilität.». Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 15. Trotz der lobenden Worte galt Napolitano nicht als Freund Berlusconis. Meistens hielt sich der Staatspräsident zurück – aber nicht immer. 2009 etwa weigerte sich Napolitano, seine Unterschrift unter einen Erlass zu setzen. Dieser hätte nach dem Willen Berlusconis zum Ziel gehabt, die Sterbehilfe für eine Koma-Patientin zu stoppen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 15. Während Berlusconi polemisierte und sich bisweilen überschätzte, war Napolitano das schiere Gegenteil: diplomatisch, zurückhaltend und unaufgeregt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 15. «Der Erfolg Napolitanos hängt klar mit seiner Person zusammen», erklärt SRF-Korrespondent Philipp Zahn. Er gilt als integer und nimmt sämtliche Termine wahr, wie es sich – wie er selbst dereinst erklärte – «für einen Staatspräsidenten gehört». Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 15. Napolitano habe es geschafft, als Person in der Gunst des Volkes nach oben zu rücken, wie SRF-Korrespondent Philipp Zahn beschreibt. Dazu beigetragen habe neben seiner politischen Arbeit auch seine menschliche Art. Hier 2009 bei der Ehrung eines italienischen Soldaten, der in Afghanistan gefallen war. Bildquelle: Reuters.
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Bild 9 von 15. Zu seiner Beliebtheit beigetragen haben auch die Tränen, die Napolitano hin und wieder vergoss. Sei es wie hier beim 65. Jubiläum der Befreiung vom Faschismus in Italien... Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 15. ...oder wie hier bei einer Feier mit der italienischen Fussball-Nationalmannschaft, welche die Weltmeisterschaft 2006 gewann. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 15. Ab und an nahm sich der Staatspräsident aber auch Zeit, um den Freuden des Alltags folge zu leisten. Hier bei einer Testfahrt mit dem neuen Fiat 500. Tipps und Tricks erhielt Napolitano von niemand geringerem, als dem ehemaligen Formel-1-Profi Michael Schumacher. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 15. Napolitanos wundester Punkt ist wohl das Gerede um seine Mitwirkung bei einem geheimen Pakt zwischen Italien und der Mafia. Um eine Bombenserie der Mafia in den 1990ern zu beenden, soll der Staat Verhandlungen mit der Cosa Nostra aufgenommen haben. Napolitano war damals Parlamentspräsident – er will dennoch nichts von Absprachen gewusst haben. Bildquelle: Reuters.
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Bild 13 von 15. In Italien galt das unbeschriebene Gesetz, dass die Staatsoberhäupter nur eine siebenjährige Amtsperiode absolvieren. Auch Napolitano wollte sich daran halten, gab jedoch auf Drängen der Parteiführer nach und willigte 2013 für eine zweite Amtszeit ein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 15. Im Mai 2014 besuchte Napolitano die Schweiz. Nebst Gesprächen über den Steuerstreit beider Länder nahm der 88-Jährige auch Stellung zum Ja des Schweizer Stimmvolks zur Zuwanderungsinitiative. Bildquelle: Keystone.
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Bild 15 von 15. Nun geht eine lange politische Laufbahn zu Ende. Der beliebte italienische Politiker nimmt im Alter von 89 Jahren den Hut. Bildquelle: Reuters.
Seit 2006 stand Giorgio Napolitano an der Spitze seines Landes. Er war der erste Ex-Kommunist in diesem hohen Amt – ein sehr gemässigter, sozialdemokratisch-reformistischer Ex-Kommunist. Er hatte nicht mehr weitermachen wollen, sagte «il Re Giorgio» 2013, nach seinen ersten sieben Jahren im Präsidentenpalast. Doch dann, als sich nach mehreren erfolglosen Wahlgängen kein Nachfolger fand – zu zerstritten waren die Parteien –, liess er sich überreden, weiterzumachen.
Ein bisschen wenigstens. Jetzt tritt er – müde von den Irrwegen der italienischen Politik – zurück. Hochgeschätzt freilich von den meisten Italienerinnen und Italienern: Sie wissen, was sie an ihm hatten.
Er war der alte Weise, der Dirigent, der ohne ausufernde Gestik das Orchester zu führen verstand, und es daran hinderte, in völliger Kakophonie zu versinken. Er ersparte dem verschuldeten, zunehmend verarmendem Land den Absturz, das Diktat, das Regiment der Troika aus EU-Kommission, europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds.
EU-freundliche Premiers ausgesucht
Napolitano dehnte gewiss seine Kompetenzen als Präsident so weit aus, wie es nur möglich war: Er war Mitwisser, als die EU-Potentaten Silvio Berlusconi aus dem Amt putschten, er wählte eigenhändig und ohne allzu viele Konsultationen dessen Nachfolger, den Wirtschafts-Professor und Ex-EU-Kommissar Mario Monti aus, um die Glaubwürdigkeit Italiens in Brüssel zu erhalten.
Er pickte Montis Nachfolger Enrico Letta aus der Schar der möglichen Premierminister heraus, einen weiteren EU-loyalen Politiker. Und er gab schliesslich dem ungestümen jungen Matteo Renzi die grüne Karte. Er drängte diesem, der in internationaler Ökonomie noch unerfahren war, jedoch einen Finanz- und Wirtschaftsminister auf, der in der EU geschätzt wird: Pier Carlo Padoan.
Mögliche Rolle im Dialog mit der Mafia
Kurz gesagt: Napolitano hielt das Land auf EU-Europakurs. Das gefiel den EU-Kritikern natürlich nicht; der Lega und den Anhängern von Beppe Grillo. Sie warfen ihm vor, Brüssel zuliebe allgemeine Wahlen vermieden zu haben. Und Napolitano stiess auch einige militante Antimafia-Staatsanwälte vor den Kopf, die ihm den Prozess machen wollten. Er soll als Innenminister in den Neunzigern einen Dialog zwischen der Mafia und dem Staat begünstigt oder gedeckt haben.
Doch alles in allem hält sich die Kritik in Grenzen. Und wer immer sein Nachfolger wird, dürfte Schwierigkeiten haben, die Fäden so subtil in der Hand zu behalten wie das «il Re» – der König – verstanden hat.