Die Rentnerin Maria Papadimitriou, eine kleine Frau in dunkler Kleidung, hat einen Stapel Unterlagen in der Hand: Steuerbescheide und Mahnbriefe. Sie sitzt in der Zentrale des griechischen Schuldnerschutzvereins bei einem Beratungsgespräch.
Papadimitriou zeigt die Papiere der jungen Juristin, die ihr seitens des Vereins helfen soll. Die Rentnerin schildert mit Tränen in den Augen ihre schwierige Lage. «Wir können unsere Steuern und Krankenkassenbeiträge nicht mehr bezahlen. Mein Sohn schuldet 20‘000 Euro. Aber wo soll er dieses Geld herbekommen? Er ist arbeitslos und lebt von meiner kleinen Rente. Und auch ich schulde 600 Euro.»
Maria Papadimitriou und ihr Sohn gehören zu den rund 2,5 Millionen Privatpersonen und Unternehmen, die offene Rechnungen beim griechischen Fiskus haben. Um die ausbleibenden Einnahmen doch noch einzutreiben, will der griechische Staat nun bei Steuerschulden härter durchgreifen. Er droht mit Pfändungen und Gefängnisstrafen.
Nichts Neues
Theodoros Fortsakis ist Professor für Steuerrecht an der Universität Athen. Er sagt, die Massnahmen des jüngsten Gesetzesentwurfes des Finanzministeriums seien für Juristen nichts Neues. «Das Gesetz sieht schon lange vor, dass der Staat sowohl Immobilien als auch Autos, Yachten und Bankkonten pfänden kann. Und er kann die Konten mutmasslicher Steuersünder schon vor ihrer Verurteilung sperren.»
Und auch die in letzter Zeit gross angekündigten Haftstrafen bei Steuerschulden seien schon längst im griechischen Steuerrecht verankert.
An der Umsetzung hapert es
Das Problem seien also nicht lückenhafte Gesetze, sondern deren Umsetzung: «Die Finanzämter hatten bis vor kurzem einfach kein Interesse daran, die Steuerflucht zu bekämpfen.» Kein Interesse? Die Regierung wollte sich nicht mit aufmüpfigen Berufsgruppen anlegen. Sie scheute besonders den Konflikt mit kleinen Unternehmen, Bauern, Selbstständigen. Und auch die Steuerhinterziehung auf hoher Ebene wurde nicht ausreichend geahndet. «Jetzt aber ist die Regierung unter Druck. Die Politiker müssen ihre kurzsichtigen politischen Interessen über Bord werfen. Die wirkliche Umsetzung fängt also jetzt erst an.»
Die griechische Regierung will aber nicht nur die schon geltenden Gesetze umsetzen. Sie will mit ihrem jüngsten Gesetzesentwurf vieles besser, einfacher und schneller machen: So soll in Zukunft für die Pfändung von Bankeinlagen ein E-Mail an die Bank, bei der das Geld liegt, reichen. Steuerschuldner sollen telefonisch oder schriftlich abgemahnt werden. Wenige Tage später soll schon das Pfändungsschreiben ins Haus flattern. Und die Steuerbeamten sollen Fällen, die kurz vor der Verjährung stehen, bevorzugt nachgehen.
Die Mitglieder des griechischen Schuldnervereins beeindruckt all das wenig. Auch Rentnerin Maria Papadimitriou nicht: «Sollen sie doch meine Rente pfänden! Ich habe sonst nicht einen Euro auf der Bank. Woher auch?» Tatsächlich gibt es bei den meisten so gut wie nichts zu holen.
Angst vor Gefängnis
Angst macht ihnen hingegen eine andere Ankündigung, sagt der Vereinsvorsitzende Theodoros Thanopoulos: Gefängnisstrafen für Steuerschulden von mehr als 5000 Euro. «Viele Menschen warten jetzt darauf, festgenommen zu werden. Das ist ein grosser Fehler der Regierung.» Thanopoulos fordert: Der Staat müsse den ehrlichen Steuerzahlern mit Zahlungspausen entgegenkommen. So sollen die Menschen erst zahlen, wenn sie wieder zahlungsfähig sind. «Denn wer nichts hat, der kann auch nichts geben.»
Die griechische Regierung hinkt jetzt schon den finanziellen Zielen hinterher, die sie sich für 2013 gesetzt hat: Allein im Januar waren die Einnahmen mit rund vier Milliarden Euro um sieben Prozent niedriger als das Ziel. Die neue Steuerreform sieht vor: Bürger können ihre Steuern auf Raten zahlen. Zahlungspausen – wie sie Thanopoulos fordert – soll es aber keine geben.
(basn;prus)