SRF News: Was will Horst Seehofer?
Adrian Arnold: Horst Seehofer will in erster Linie sein Bundesland und seine Mitbürger in Bayern entlasten und vor zusätzlichen Flüchtlingen schützen. Bayern hat zusammen mit Nordrhein-Westfalen in Deutschland bisher am meisten Flüchtlinge aufgenommen. Dazu will er die Grenzen schliessen. Kanzlerin Merkel will das aber nicht. Im Gegensatz zu ihm, will sie keine Flüchtlingsobergrenze.
Seehofer geht unerbittlich gegen Merkel vor, in Deutschland spricht man sogar von Krieg und bezeichnet Seehofer als Kriegsherren. Das alles wegen der Flüchtlinge?
Nicht nur, es geht ihm vor allem um Bayern und um die absolute Mehrheit, die er 2013 zurückgewonnen hatte. Es geht ihm aber auch um sich selbst. Er war gesundheitlich angeschlagen und auch in Umfragen stand er schlecht da. Anlässlich des CSU-Landesparteitages am 20. November will Seehofer wiedergewählt werden.
Der Streit in der deutschen Regierung hat diese bei Wählerinnen und Wählern unbeliebter gemacht. Geht es Horst Seehofer vor allem um die Beliebtheit der Christsozialen, oder sorgt er sich tatsächlich um die Flüchtlingszahlen?
Es ist eine Mischung von beidem. Er sieht natürlich in Bayern wie die Einheimischen an ihre Grenzen stossen, vor allem die Leute, die in den Kommunen mit den Flüchtlingen zu tun haben. Seehofer will gut da stehen und auch seine CSU schützen. Er nutzt die Lage aus, um sich eigenständig zu positionieren.
Angela Merkel wird die Grenzen, trotz Seehofers Forderung, nicht schliessen. Hat er klein beigegeben? Ist er quasi als Löwe gestartet und als Bettvorleger gelandet?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Koalitionsarbeit ist oft ein Zusammenraufen. Es wurde ein Kompromiss gefunden. Sowohl Merkel als auch Seehofer vertreten inzwischen die Linie, dass man die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, begrenzen sollte und auch begrenzen will. Und man hat Transitzonen beschlossen. Merkel und Seehofer sind aufeinander zugegangen.
Das bedeutet, Kriegsherr Seehofer hat erreicht, was er will?
Das kann man so sehen, er hat die Kanzlerin in entscheidenden Punkten auf seiner Seite. Seehofer hat aber, wie so oft, die Forderungen überspitzt formuliert. Das mag eine Strategie sein, die in Bayern gut ankommt.
Er lotet die Grenzen rhetorisch aus, überschreitet sie hie und da.
Insgesamt, Adrian Arnold, wie schätzen sie den Politiker Horst Seehofer ein: ist er ein seriöser Politiker mit echten Anliegen, oder ist er einer, der sich vor allem von der Stimmung in der Bevölkerung leiten lässt?
Er ist seriös, er führt Bayern wirtschaftlich erfolgreich und souverän. Er ist kein Populist, kein Nationalist. Er lotet die Grenzen rhetorisch aus, überschreitet sie hie und da.
Aber er politisiert nicht ganz am rechten politischen Rand, auch wenn ihm das manchmal vorgeworfen wird. Er vertritt die Werte der Regierung, mit Kraftausdrücken, die er als Strategie einsetzt.