Innerhalb von 24 Stunden hat es in der Ostukraine rund 50 Verstösse gegen die in Minsk vereinbarte Waffenruhe gegeben. Dies teilte die ukrainische Militärführung mit. Auch die Aufständischen warfen den Regierungstruppen Dutzende Angriffe vor.
Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigten, dass sie gestern in der Separatistenhochburg Donezk mehrfach Artilleriesalven gehört hätten.
Separatistenführer Eduard Bassurin drohte in der Nacht mit einem Ausstieg aus dem Minsker Abkommen, sollte die Armee das Feuer nicht einstellen. «Eine Offensive in Richtung Mariupol ist nicht geplant», sagte er aber.
Gefangenenaustausch am Wochenende?
Trotz Verstössen gegen die Waffenruhe haben sich die prorussischen Separatisten zu einem Gefangenenaustausch bereit erklärt. Nach der Niederlage der ukrainischen Truppen im Kampf um den Verkehrsknotenpunkt Debalzewe sollen zahlreiche Soldaten von den Aufständischen gefangen genommen worden sein.
Der Austausch, der vergangene Woche im Minsker Friedensplan vereinbart worden war, könne an diesem Wochenende stattfinden, sagte Separatistensprecherin Darja Morosowa der Nachrichtenagentur Interfax. Frühere Initiativen hatten sich nach solchen Ankündigungen immer wieder verzögert.
Neuer russischer Hilfskonvoi
Zur Versorgung der Not leidenden Menschen unter anderem in Debalzewe schickte Russland erneut einen umstrittenen Konvoi mit Hilfsgütern ins Konfliktgebiet.
Nach Angaben des Zivilschutzes überquerten 30 Lastwagen mit insgesamt rund 200 Tonnen Hilfsmitteln die Grenze. Frühere Lastwagenkolonnen waren deutlich grösser.
Die Ukraine kritisiert die Lieferungen als Verletzung ihrer Souveränität und befürchtet, dass Russland den Separatisten Waffen liefern könnte.
Sanktionsdrohungen aus der EU
Angesichts des brüchigen Waffenstillstands hat EU-Ratspräsident Donald Tusk heute neue Sanktionen angekündigt. «Wir erreichen eindeutig einen Punkt, an dem weitere diplomatische Bemühungen erfolglos sind, so lange sie nicht von weiteren Massnahmen unterstützt werden", erklärte der polnische Politiker in Brüssel. Er werde deshalb mit den Staats- und Regierungschefs der EU über die nächsten Schritte beraten.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande haben derweil dringend an Moskau und Kiew appelliert, alle Friedensvereinbarungen für die Ukraine umzusetzen. Auch sie drohten nach einem Treffen in Paris bei weiteren Verstössen prorussischer Separatisten gegen das Minsker Abkommen mit neuen Sanktionen gegen Russland.
Die Separatisten und die ukrainische Armee müssten nun den Waffenstillstand einhalten, das schwere Militärgerät abziehen und ihre Gefangenen austauschen, forderten Merkel und Hollande. «Wenn das nicht kommt, kommen Sanktionen. Das ist aber nicht unsere Absicht. Wir wollen Frieden schaffen», sagte Hollande.
Merkel will nicht vergebens verhandelt haben
Auch Merkel sagte, sie habe nicht mit Hollande, Putin und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko eine Nacht lang im weissrussischen Minsk über Frieden für die Ukraine verhandelt, damit dann doch wieder Sanktionen gegen Moskau nötig würden. Es gehe um einen konstruktiven Weg aus den Sanktionen.
Deutschland und Frankreich würden alles tun, um weiteres Blutvergiessen zu verhindern, beteuerte Merkel. «Wir erleben, dass dies schwerfällig geht. (...) Allerdings konnte man angesichts der schwierigen Lage auch nicht anderes erwarten», sagte sie. Der Ukraine werde es nicht leicht gemacht, ihren eigenen Weg zu gehen. Der Prozess bleibe schwierig. Da mache sie sich auch in Zukunft keine Illusionen.
Neues Treffen am Dienstag
Die Aussenminister aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine werden sich am kommenden Dienstag in Paris treffen, um über die jüngste Entwicklung in der Ukraine zu beraten. Bei dem Treffen soll es unter anderem um die Umsetzung des vereinbarten Rückzugs von schweren Waffen und den Zugang in die Konfliktregion für Beobachter der OSZE gehen.
Die gleichen Aussenminister hatten sich in den vergangenen Monaten bereits viermal in Berlin getroffen. Sie waren bei dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in der vergangenen Woche in Minsk dabei.