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International «Isis könnte Al-Kaida als Terrorgruppe übertrumpfen»

Die Terrorgruppe Isis will Fakten schaffen und hat in den Gebieten, die er im Irak und in Syrien beherrscht, einen islamistischen Staat ausgerufen. Das steht in einer Erklärung, die am Sonntag veröffentlicht wurde. Irak-Kennerin Inga Rogg sagt, was dieses Kalifat bedeutet.

SRF: Was bedeutet die Ausrufung eines Kalifats, eines islamistischen Staats, überhaupt?

Inga Rogg: Es bedeutet, dass der Isis eine enorme Macht beansprucht. Er behauptet, dass er das Kalifat, einen islamistischen Staat, wie es zurzeit nach dem Tod des Propheten Mohammed existierte, wiederhergestellt habe. Damit beansprucht die Gruppe die Führung in der islamischen Welt, ja die Führung aller Muslime.

Ist das nicht einfach Propaganda? Oder kontrolliert der Isis die Gebiete im Nordirak und in Syrien tatsächlich so stark, dass er einen Staat ausrufen kann?

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Inga Rogg
aus SRF 4 News aktuell vom 30.06.2014.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 49 Sekunden.

Da ist natürlich unglaublich viel Propaganda dabei. Die geht hauptsächlich an die Adresse anderer Dschihadistengruppen. Die Botschaft lautet: ‹Jetzt übernehmen wir die Führung. Wir haben diesen Staat, nach dem die Muslime streben.› Der Isis kontrolliert einzelne Gebiete, zum Beispiel bei Raka im Norden Syriens. Aber im Irak ist die Kontrolle bei Weitem noch nicht so gefestigt wie in Raka. Da muss diese Gruppierung erst einmal beweisen, dass sie in der Lage ist, dieses Kalifat in der Praxis zu realisieren.

In der Erklärung des Isis heisst es, der Anführer Abu Bakr al-Bagdadi sei nun der Imam und Kalif aller Muslime. Hat er die nötige Autorität, damit die Sunniten ihm folgen werden?

Unter der Mehrheit der Muslime hat er die sicher nicht. Die Extremisten repräsentieren insgesamt gesehen nur eine Minderheit der Muslime. Aber die grosse Frage ist, ob es Bagdadi, nun als sogenannter Kalif, gelingt, die anderen Dschihadistengruppen zu übertrumpfen? Im Sinne von: Ich habe vollbracht, was niemand anderes bisher konnte. Es gibt bereits einzelne Gruppierungen von Südasien bis nach Westafrika, die Bagdadi ihre Gefolgschaft angekündigt haben. Wenn es ihm gelingen sollte mit dieser Erklärung einen neuen Schub auszulösen, könnte er tatsächlich die Al-Kaida, die bisher führende Terror- und Extremistengruppe, in den Schatten stellen.

Die Ausrufung des Kalifats hat Isis auf den Anfang des Fastenmonats Ramadan gesetzt. Was heisst das für den Konflikt im Irak, dass jetzt Ramadan ist?

Der Ramadan ist ein heiliger Monat. Er ist auch der Monat des Friedens. Während des Ramadans wurden sehr oft Waffenstillstände geschlossen. Auf der anderen Seite sehen die Extremisten den Ramadan aber vor allem als Monat, in dem man den Dschihad, den heiligen Krieg, intensiviert, in dem er besonders gesegnet ist. Die Extremisten hatten angekündigt, dass sie bis zum Ende des Ramadans Bagdad einnehmen werden. Insofern muss man davon ausgehen, dass Anschläge in der kommenden Zeit also eher zunehmen werden.

Inga Rogg

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Inga Rogg ist NZZ-Journalistin und lebt zeitweise im Irak. Seit 2003 berichtet sie für die NZZ und die «NZZ am Sonntag» aus dem Irak, seit 2009 ist sie auch für SRF im Einsatz.

In Tikrit haben sich die irakische Armee und der Isis heftige Kämpfe geliefert. Tikrit ist eine strategisch wichtige Stadt. Kommt die irakische Armee bei ihrem Kampf gegen Isis voran?

Soviel ich weiss, ist sie nicht sehr weit vorangekommen. Laut meinen Quellen steht die Armee jetzt etwa 20 Kilometer vor Tikrit. Das ist für die Armee peinlich. Denn die Regierung hat schon vor zwei Tagen behauptet, sie habe Tikrit eingenommen. Nun musste sie einräumen, dass sie auf erbitterten Widerstand stösst. Wenn es der irakischen Regierung nicht gelingt, Tikrit schnell unter Kontrolle zu bringen, sondern sich in einen lange dauernden Kampf verwickelt, dann dürfte das eher den Isis als die Regierung stärken.

Das Interview führte Marc Allemann.

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