Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe hat Neuwahlen ausgerufen. Gleichzeitig will er die geplante Mehrwertsteuererhöhung verschieben. Das Parlament werde bereits am 21. November aufgelöst, kündigte der erst seit knapp zwei Jahren amtierende Abe an. Dank der Neuwahlen will sich Abe ein Mandat für weitere vier Jahre sichern.
Eigentlich wären die Wahlen erst 2016 fällig gewesen. Sollte seine Partei LDP mit dem Koalitionspartner Komeito die Mehrheit verlieren, werde er umgehend zurücktreten, so der Ministerpräsident.
Opposition zerstritten
Mit der Neuwahl – die laut Aussagen aus Parteikreisen am 14. Dezember erfolgen könnte – will er sich Rückendeckung für seinen Kurs holen. Mit den sogenannten «Abenomics» soll die Wirtschaft durch einen Mix aus einer extrem lockeren Geldpolitik, Reformen und Mehrausgaben wieder in Schwung gebracht werden. Angesichts einer zerstrittenen Opposition gilt laut Umfragen eine Mehrheit für die gemässigt konservative und wirtschaftsnahe LDP als sicher. Die LDP regiert derzeit zusammen mit der Komeito-Partei mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit.
Nach den ursprünglichen Plänen hätte die Mehrwertsteuer im Oktober 2015 auf zehn Prozent steigen sollen. Doch die Nachricht, dass Japan überraschend in eine Rezession abgerutscht ist, machte der Regierung einen Strich durch die Rechnung. Mit ein Grund für die Schrumpfung des Bruttoinlandprodukts war die Mehrwertsteuererhöhung vom 1. April von fünf auf acht Prozent. Nach der Erhöhung hielten sich die Konsumenten mit Käufen zurück.
Als neuen Termin für die zweiten Stufe der Mehrwertsteuererhöhung nannte Abe den April 2017. «Eine nochmalige Verschiebung wird es nicht geben», sagte er. Möglich seien aber Ausnahmen für Waren des täglichen Bedarfs.
Die Anhebung sei unausweichlich, um die steigenden Sozialausgaben zu bezahlen, sagte Finanzminister Taro Aso. Japan ist so hoch verschuldet wie kein anderes Industrieland der Welt. Gleichzeitig kämpft es mit Überaltung und sinkender Bevölkerungszahl.
Käufer waren zurückhaltend
Mit Hilfe von «Abenomics» sollte die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden. Auch die jahrelange Deflation – ein für die Wirtschaft schädlicher Preisverfall auf breiter Front – sollte damit endgültig beendet werden. Verbraucher hatten sich in Erwartung immer weiter fallender Preise mit Käufen zurückgehalten, was die Unternehmen viel Umsatz kostete und Investitionen sowie Neueinstellungen behinderte.
Kritiker werfen der Regierung vor, dass von der damit einhergehenden Abwertung des Yen nur die Grosskonzerne profitieren, deren Waren im Ausland dadurch preislich attraktiver werden. Der Durchschnittsjapaner bezahle dies dagegen mit höheren Preisen – die derzeit schneller steigen als die Löhne und damit zu Kaufkraftverlusten führen.
Weitere Projekte: Remilitarisierung, AKWs
Konsequenzen hätte eine Wiederwahl Abes auch für seine Remilitarisierungs-Pläne, sagt SRF-Korrespondent Urs Morf. «Mit weiteren vier Amtsjahren könnte er schalten und walten wie er will.» Japan hat in seiner Verfassung den Verzicht auf Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten festgeschrieben und unterhält seit dem zweiten Weltkrieg eine Verteidigungsarmee.
Zudem sollen die Mehrheit der Atomkraftwerke wieder ans Netz gehen. Der Reaktor in Sendai soll als erster Meiler nach der Katastrophe von Fukushima im nächsten Jahr den Betrieb wieder aufnehmen.