Die ukrainische Armee ist in der Stadt Slawjansk militärisch in die Offensive gegangen. Dabei wurden nach Angaben des Innenministeriums «bis zu fünf» pro-russische Aktivisten getötet und ein ukrainischer Soldat verletzt.
Die Regierung in Kiew versucht mit dem Einsatz, die Kontrolle über die Stadt zurückzuerlangen. Slawjansk ist seit Tagen in den Händen Moskau-treuer Gruppen. Mehrere Panzer fuhren auf, es waren Schüsse zu hören. Der selbsternannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, wies alle Zivilisten an, das Rathaus zu verlassen. Die Aktivisten zogen sich in Verteidigungsstellungen zurück. In den Nachbarorten von Slawjansk wurden den Behörden zufolge die Schulen geschlossen.
Putin nennt Kiewer Regierung eine «Junta»
Die russische Führung reagierte prompt. Präsident Wladimir Putin sprach von einem «schweren Verbrechen am eigenen Volk».
Der Einsatz werde «ohne Frage Konsequenzen für diejenigen haben, die diese Entscheidungen treffen, vor allem für die zwischenstaatlichen Beziehungen», sagte er in St. Petersburg. Die pro-westlich eingestellte Übergangsregierung in Kiew bezeichnete er als «Junta».
Die russische Armee startete wenig später ein Grossmanöver im Grenzgebiet zur Ukraine – was die Spannungen weiter verschärfte. «Wir sind gezwungen, auf eine derartige Entwicklung der Lage zu reagieren», sagte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu.
Kein Dialog, kein Kompromiss
Damit schwinden gut eine Woche nach der Ukraine-Konferenz die Hoffnungen auf eine diplomatische Beilegung der Krise. «Die Lage bleibt brandgefährlich», sagt SRF-Korrespondent Christoph Wanner im gut 100 Kilometer südlich gelegenen Donezk. Es gebe keinerlei politischen Dialog und auch kein Zeichen für irgendeinen Kompromiss.
Am Mittwoch hatte Moskau indirekt mit einer Militäraktion im Nachbarland gedroht. So kündigte Aussenminister Sergej Lawrow für den Fall einer Verletzung russischer Interessen in der Ukraine eine «Antwort» an. Dabei verwies er ausdrücklich auf den Georgien-Krieg von 2008.
Lawrow hielt ausserdem eine scharfe Rede an der Universität in Moskau und warf dabei den USA und der EU vor, hinter den pro-westlichen Protesten zu stecken, die im Februar zum Sturz des pro-russischen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch geführt hatten.
Die Ukraine werde als «Schachfigur in einem geopolitischen Spiel benutzt», sagte Lawrow. Der Westen und vor allem die USA glaubten, Russland bei europäischen Fragen ausschliessen und Handlungen unternehmen zu können, die «Russlands Sicherheitsinteressen schaden».
Weitere Städte umkämpft
Im Osten der Ukraine ist die Lage seit Tagen hoch explosiv. Neben Slawjansk befinden sich rund zehn weitere Städte in den Händen von pro-russischen Gruppen. Sie halten unter anderem Verwaltungsgebäude und Polizeiwachen besetzt.
Die Kontrolle über das Rathaus im südöstlichen Mariupol eroberten ukrainische Sicherheitskräfte mittlerweile aus der Hand pro-russischer Kräfte zurück.
Obama droht mit «Konsequenzen»
Die Ukraine, Russland, die Europäische Union und die USA hatten in der vergangenen Woche in Genf ein Abkommen ausgehandelt, das die «Entwaffnung illegaler bewaffneter Gruppen» in der Ukraine sowie die Räumung besetzter Gebäude vorsieht. Die jüngste Gewalt machte die Hoffnung darauf aber zunichte.
Während eines Besuchs in Tokio warf US-Präsident Barack Obama Russland einen Verstoss gegen das Abkommen vor. Sollte die Führung in Moskau das Abkommen weiter missachten, müsse sie mit «Konsequenzen» rechnen. «Dann werden wir die Sanktionen verschärfen», sagte Obama.
Offiziell setzen die USA weiterhin auf Diplomatie. Offenbar werden aber bereits neue Sanktionen gegen Moskau vorbereitet. Zeitgleich trafen die ersten von insgesamt 600 für das Baltikum und Polen vorgesehenen US-Soldaten an ihrem Einsatzort ein. Gemäss offizieller Sprachregelung sollen sie dort an Manövern teilnehmen.